Berlin/London. Niederländische Forscher haben erstmal eine Frikadelle aus Stammzellen produziert. Mit dem Labor-Klops wollen die Wissenschaftler den weltweiten Fleischhunger stillen. Einen anderen Weg gegen hohen Konsum schlagen die Grünen vor: Sie wünschen sich einen vegetarischen Tag pro Woche.
Wissenschaftler haben erstmals eine Frikadelle aus Stammzellen von Rindern hergestellt. Die Wissenschaftler der niederländischen Universität Maastricht sind der Ansicht, Fleisch aus dem Labor könne weltweit den Lebensmittel-Mangel lindern und den wachsenden Hunger auf Fleisch stillen. "Es ist ein Anfang, auf den wir aufbauen können", sagte Projektleiter Mark Post bei einem Testessen am Montag in London.
Die Grünen haben unterdessen andere Vorstellungen, wie der Fleischverbrauch gesenkt werden kann. Sie fordern einen fleischfreien Tag in Kantinen. "Es ist fast wie Fleisch, es ist nicht so saftig, aber die Konsistenz ist perfekt", sagte Ernährungs- wissenschaftlerin und Testesserin Hanni Rützler über den Fleischklops aus dem Labor. Und er solle helfen, den Fleischkonsum in den Griff zu bekommen. Bis zum Jahr 2050 werde der Fleischkonsum weltweit um rund 73 Prozent anwachsen. Zudem könne die Tierzucht begrenzt und damit gegen den Klimawandel vorgegangen werden, so die Forscher. Diese verschlinge mehr landwirtschaftliche Fläche, Wasser und Getreide als die Gewinnung irgendeines anderen Lebensmittels für den Menschen, argumentiert Post. Die Tierzucht belaste die Umwelt auch durch hohe Treibhausgas-Emissionen.
Kommerzielle Produktion könnte in zehn bis zwanzig Jahren beginnen
Für das Fleisch entnahmen die Forscher Muskelstammzellen von Rindern und vermehrten diese im Labor. Daraus wuchsen mehrere Zentimeter lange Muskelstränge. Rund 20 000 davon sind für eine 140-Gramm-Frikadelle nötig. Die Stammzellen können den Rindern etwa durch Biopsie entnommen werden. In zehn bis zwanzig Jahren könne mit der kommerziellen Produktion begonnen werden, glauben die Forscher.
Kritiker betonen hingegen, langfristig sei es besser, den Fleischkonsum zu reduzieren - dieser sei ohnehin viel zu hoch. Statt technischer Lösungen müsse die weltweite Verteilung von Lebensmitteln verbessert werden, sagte Tara Garnett von der Universität Oxford dem Sender BBC. "Wir haben die Situation, dass 1,4 Milliarden Menschen weltweit übergewichtig und fettsüchtig sind, und gleichzeitig 1 Milliarde Menschen hungrig ins Bett gehen. Das ist einfach falsch und inakzeptabel." Zudem müsse nicht nur mehr, sondern auch besseres Essen zu den Menschen gelangen, die es brauchten.
Bundesbürger isst im Durchschnitt 60 Kilogramm Fleisch pro Jahr
Ähnlich argumentieren auch die Grünen in Deutschland: "Man muss nicht jeden Tag zwei Burger essen", sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt am Montag in Berlin. Dies entspreche ungefähr dem durchschnittlichen Fleischkonsum der Bundesbürger - nämlich rund 60 Kilogramm pro Jahr. Ein vegetarischer Tag in deutschen Kantinen soll deshalb an die Tradition eines fleischlosen Freitags anknüpfen und die Gesundheit, den Tier- und Klimaschutz fördern. Schwarz-Gelb und Linke warnten vor einer Bevormundung der Bürger.
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FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle hielt dem in "Bild" (Dienstag) entgegen, die Menschen seien klug genug, selbst zu entscheiden, wann sie Fleisch und Gemüse essen. "Menschen ständig Vorschriften zu machen, ist nicht mein Verständnis von Freiheit und Liberalität." Auch Bundesernährungs- ministerin Ilse Aigner (CSU) wandte sich gegen den Grünen-Vorstoß. "Wir halten generell wenig von Bevormundungen", sagte ein Ministeriumssprecher. "Am Ende brauchen wir eine ausgewogene Ernährung. Da gehört Fleisch dazu."
Burger bekam gemischte Kritiken
Erst im Februar hatte die Techniker Krankenkasse eine Studie vorgestellt, nach der viele Bundesbürger nach wie vor viel mehr Fleisch und Wurst essen als empfohlen - vor allem Männer. Während nur vier von zehn Frauen täglich Wurst oder Fleisch zu sich nehmen, sind es demnach sechs von zehn Männern.
Ob die Frikadelle aus dem Labor Teil einer ausgewogenen Ernährung werden kann, scheint indes noch offen. Beim Testessen in London bekam der Burger gemischte Kritiken. Beim Kurznachrichtendienst Twitter wurde vor allem darüber diskutiert, dass der mehr als 250 000 Euro teure Burger noch nicht fettig genug sei. (AFP/dpa)