London. Zensur oder Jugendschutz? Motiviert durch obszöne Internet-Suchergebnisse auf Rechnern von Kinderschändern will der britische Premier David Cameron noch dieses Jahr einen Porno-Filter für Privathaushalte durchsetzen. Doch die staatlich verordnete Schmuddel-Blockade im Netz hat ihre Tücken.

Der britische Premier macht Ernst: Motiviert durch obszöne, aber legale Internet-Suchergebnisse auf Rechnern von Kinderschändern will David Cameron noch dieses Jahr einen Porno-Filter für Privathaushalte durchsetzen. Doch die staatlich verordnete Schmuddel-Blockade im Netz hat ihre Tücken.

Am Schicksal von April Jones hat ganz Großbritannien Anteil genommen: Die aufgeweckte Fünfjährige war 2012 vom Spielen nicht heimgekehrt, ihre Leiche wurde nie gefunden. Unter Mordverdacht steht ein Mann, auf dessen Rechner die Polizei allerhand Grausiges entdeckt hat: Fotos über Fotos, die nachgestellte Szenen von Vergewaltigungen und Kindesmissbrauch zeigen. Alles ganz legal vom mutmaßlichen Täter im Internet gefunden und heruntergeladen.

Haben derartige Brutalo-Bilder das Potenzial, Pädophile zu radikalisieren? Darüber streiten sich Psychologen und Medienwissenschaftler seitdem mit großer Ausdauer. Doch Cameron kommt der schmutzige Such-Verlauf auf dem Rechner des Tatverdächtigen genau recht: Seit über einem Jahr setzt er sich dafür ein, frei verfügbares pornografisches Material im Netz hinter einer Mauer verschwinden zu lassen, sodass Minderjährige die Seiten weder zufällig noch absichtlich ansurfen können. Die verschwundene April hat seiner Jugendschutz-Kampagne nun den bislang fehlenden Schub verliehen.

Internet-Neukunden mit intimen Fragen konfrontiert

Schon dieses Jahr sehen sich Internet-Neukunden bei Vertragsabschluss also mit intimen Fragen konfrontiert: Wollen sie sich im Netz einschlägige Filme oder Fotos anschauen, müssen sie dies explizit per Mausklick anmelden.

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Alle anderen Briten erhalten nächstes Jahr Post von ihrem Internet-Provider. Wer sich in punkto Nackt-Material dann nicht festlegt, der bekommt den Porno-Blocker automatisch als Standardeinstellung zugewiesen.

Die Konsequenzen sind vielschichtig: Der Filter verhindert nicht nur, dass bestimmte Web-Adressen angesteuert werden können. Über Microsoft sollen auch anrüchige Fotos verschwinden, ein Index legt außerdem Schlüsselbegriffe fest, die als nicht akzeptabel gelten. Tauchen sie in Texten auf, werden die Texte erst gar nicht in den Suchergebnissen von Google aufgelistet.

Der Filter blockiert damit nicht nur illegale, sondern auch juristisch einwandfreie Erwachsenen-Inhalte. Wer darauf weiterhin Zugriff haben möchte, muss je nach Filter-Variante seines Internetanbieters diverse Häkchen in seinen Browser-Grundeinstellungen setzen oder sich persönlich beim Kundenservice registrieren. Das gilt auch für internetfähige Mobiltelefone.

Eine Technologie mit Tücken

„Wir müssen uns überlegen, wie wir die Kindheit unserer Kinder schützen“, begründet Cameron den Vorstoß. Die Zeiten, in denen Internetzugang für den Nachwuchs auf einen leicht kontrollierbaren PC daheim beschränkt war, seien vorbei: „Über Handys können Kinder heute jederzeit und überall Zugriff auf Porno-Inhalte bekommen.“

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Eine Regierungskommission in Großbritannien schätzt, dass jedes dritte Kind unter zehn Jahren bereits einschlägiges Material im Netz begutachtet hat. „Online-Pornografie aber hat einen zersetzenden Einfluss auf die Kindheit“, kritisiert Cameron.

Doch die Technologie hat ihre Tücken: In Testläufen konnten Nutzer weiterhin kommerzielle Porno-Seiten ansurfen; Internetseiten, die medizinische Information zu sexuell übertragbaren Krankheiten verbreiten, waren hingegen blockiert. In Camerons Porno-Filter landeten sogar ausgerechnet jene Nachrichten-Geschichten renommierter Medien, die über den Porno-Filter berichteten.

Schmaler Grat zwischen Jugendschutz und Zensur

Wie dünn der Grat zwischen Jugendschutz und Zensur in Großbritannien gerät, zeigen auch Einwände der Internetaktivisten von „Open Rights Group“: Sie kritisieren, dass abhängig vom Internetprovider inzwischen eine ganze Liste an Themen im Netz blockiert wird, sofern Nutzer nicht die Vor-Auswahl rückgängig machen.

Blockierte Inhalte umfassen auf der Insel demnach auch Themen, die generell „gewalttätig“ klingen oder die mit Essstörungen, Magersucht, Selbstmord, Alkohol, Zigaretten und gar „Esoterik“ zu tun haben.