Bochum. . Die Nachricht ging um die ganze Welt: Vor 75 Jahren gelang Anderl Heckmair als erstes die Durchsteigung der Eiger-Nordwand. Zum Jubiläum hat sein langjähriger Vertrauter, der Bochumer Uli Auffermann, sogar ein „Eiger-Lexikon“ veröffentlicht. Buchstäblich von A bis Z durchdringt der Bochumer die Geschichte dieses Berg-Mythos.
Wer unten an ihrem Fuße steht und hochblickt, wird ehrfürchtig. Fast 2000 Meter zieht sich die höchste, die gefährlichste Wand der Alpen in den Himmel, die Eiger-Nordwand in der Schweiz.
Bis vor 75 Jahren galt das Bollwerk aus Eis, Schnee, brüchigem Fels und extremer Wetterlaunigkeit für Bergsteiger als „das letzte Problem der Alpen“, denn alle anderen großen Nordwände waren schon durchstiegen. Dann kam der Oberstdorfer Anderl Heckmair. Vom 22. bis 24. Juli 1938 führte er eine Viererseilschaft bis zum 3970 Meter hohen Gipfel. Die Nachricht ging um die ganze Welt.
Es ist ein Bochumer, der das Erbe Heckmairs verwaltet und hütet. Uli Auffermann (53), Alpin-Journalist und Verfasser von Wanderführern, wurde Heckmair zum Vertrauten. „Wir hatten jahrzehntelang eine intensive, echte Freundschaft. Ich glaube, es war eine Art Seelenverwandtschaft.“ Ordnerweise stapelt sich bei ihm der Briefwechsel mit dem Eiger-Pionier.
Zum Jubiläum hat er sogar ein „Eiger-Lexikon“ veröffentlicht (224 Seiten, Schall-Verlag). Buchstäblich von A bis Z durchdringt der Bochumer die Geschichte dieses Berg-Mythos.
Kontakt zu Bochumer Bergsteiger
Auffermann ist selbst Bergsteiger, testete schon als Junge seine Steigeisen an Kohlehalden in Bochum. Über Heckmair spricht er wie ein Sohn, der seinen Vater verehrt. In der Jugend hatte er den berühmten Bergsteiger auf einer Hütte in Österreich kennengelernt. Es begann eine Beziehung, die erst Heckmairs Tod 2005 beendete. Heckmair, ein einfacher Naturbursche und Bergführer, wurde 98.
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Auch in Bochum hatte er Auffermann regelmäßig besucht. Sie sind dann in die Elfringhauser Schweiz bei Sprockhövel gefahren, wo der Bochumer mit einem „Gedächtnisweg“ an den großen Alpinisten erinnert. Zusammen rauchten sie dort Heckmairs geliebte Zigarren.
Seine Leistung 1938 war eine Weltsensation, die die Menschen daheim am „Volksempfänger“ live mitverfolgt hatten. „Er hat mit unglaublichem Instinkt die Schlüsselstellen zum Durchkommen gefunden“, sagt Auffermann. Noch nie zuvor hatte es jemand bis ins obere Drittel der Wand geschafft. Das Gelände war absolutes Neuland. Hinter jedem Tritt lauerte der Tod, zumindest eine Lawine oder Steinschlag, der in der „Mordwand“ zu einem Kugelhagel anschwillt.
Erst zwei Jahre zuvor hatte sich dort eines der grausamsten Todesdramen der Alpingeschichte ereignet. Vier Bergführer mussten umkehren, weil sich einer verletzt hatte. Fahrlässigerweise hatten sie nach einer Schlüsselstelle ihr Seil abgezogen. Beim Rückzug fehlte es ihnen. Dann brach eine Unwetterhölle los.
Eine Lawine zerschmetterte zwei. Der dritte erstickte im Brustseil. Der vierte, zwischen Leichen hängend, kämpfte sich unter unsagbaren Qualen alleine hinab. Nur wenige Meter vor einem Rettungstrupp war er am Ende. „I ka nimmer“, stöhnte er und starb. Benno Führmann spielte ihn im Kinofilm.
Journalisten verfolgten das Drama live
Das Drama 1936 hatten Scharen von Journalisten live mitverfolgt. 1938, als Heckmair einstieg, waren sie wieder da. An der „Kleinen Scheidegg“, eine Touristenstation unter der Wand, blickten sie in die Fernrohre und telegrafierten in alle Welt.
Noch heute beobachten die Touristen dort die Kletterer wie Gladiatoren in einer Arena. Weiterhin ist diese Wand nur für Spitzenkräfte durchsteigbar. Das Tempo indes wird immer wahnsinniger. Die Messlatte liegt aktuell bei 2:28 Stunden.
Die Erstdurchsteigung war von den Nazis politisch ausgeschlachtet worden. Kurz zuvor war der „Anschluss“ Österreichs erfolgt, da kam der Erfolg von Heckmairs Seilschaft (zwei Deutsche, zwei Österreicher) gerade recht. Heckmair indes, versichert Auffermann, sei „ein völlig unpolitischer Mensch“ gewesen. „Er war weder vom Herzen noch vom Verstand ein Nazi.“