Berlin. Drei von vier Verbrauchern fühlen sich von der Lebensmittel-Industrie getäuscht. Das hat eine Umfrage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen ergeben. Der Verband fordert klare Informationen auf Verpackungen und appelliert dabei an Hersteller und Politik.

Das Verhältnis der Verbraucher zur Lebensmittelindustrie ist von Misstrauen geprägt. Der Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Gerd Billen, verglich es am Donnerstag in Berlin mit einer "zerrütteten Ehe".

"Drei von vier Verbrauchern haben das Gefühl, dass bei Angaben auf Lebensmitteln viel getrickst wird", sagte Billen anlässlich des zweijährigen Bestehens des Internetportals www.lebensmittelklarheit.de. Die Zahl stamme von empirischen Untersuchungen der Verbraucherzentrale.

Lebensmittelangaben richtig lesen

Frei von künstlichen Aromen

Steht das zum Beispiel auf einem Erdbeerjoghurt, heißt es nicht, dass gar keine Aromen enthalten sind. Viele Hersteller verwenden stattdessen natürliche Aromen. Die ähneln Erdbeeren zwar geschmacklich, haben aber mit den Früchten nicht zwingend etwas zu tun. Das ist legal, wenn der Ausgangsstoff des Aromas natürlich ist - dabei kann es sich aber auch um Holz oder Papier handeln.

Frei von Geschmacksverstärkern

Lebensmittel, die offiziell frei von Geschmacksverstärkern sind, enthalten dafür aber manchmal Hefeextrakt. Das ist vor dem Lebensmittelrecht kein Geschmacksverstärker, aber es hat eine geschmacksverstärkende Wirkung. Offiziell ist Hefeextrakt nur eine Zutat.

Frei von künstlichen Farbstoffen

Ähnlich wie bei den Aromen liegt auch hier die Krux in dem Wort künstlich. Denn natürliche Farbstoffe sind in diesem Fall erlaubt. So enthalte Erdbeerjoghurt manchmal Rote-Beete-Saft, um möglichst rot auszusehen. Gesundheitsschädlich ist das nicht, aber eine Täuschung.

Frei von Zuckerzusatz

Dass es keinen Zuckerzusatz gibt, heiße nicht, dass kein Fruchtzucker enthalten ist. Ein Müsli zum Beispiel kann trotzdem sehr süß sein, weil Früchte drin sind, die von Natur aus viel Zucker enthalten. Auch bei Aufdrucken wie "30 Prozent weniger Zucker" sollten Verbraucher genau hinschauen. So kann trotzdem viel mehr Zucker enthalten sein als in einem ähnlichen Produkt von einer anderen Marke. Deshalb lohnt sich ein Blick auf die Nährwerttabelle.

Frei von Konservierungsstoffen

Ein seit Jahrtausenden bekannter Konservierungsstoff ist Essigsäure. Sie fällt laut Gesetz aber nicht in diese Kategorie. Daher darf sie enthalten sein, auch wenn der Hersteller "frei von Konservierungsstoffen" auf die Verpackung druckt.

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Über das Portal können Verbraucher ihre Fragen oder Kritik bezüglich bestimmter Lebensmittel übermitteln. Nach Angaben der Verbraucherzentrale gingen insgesamt 7300 sogenannte Produktmeldungen ein. Diese wurden von der Verbraucherzentrale geprüft. Rund 320 von ihnen wurden veröffentlicht.

110 Hersteller änderten ihre Angaben

Die wichtigsten Themen der Verbraucher waren die Zutaten oder Zusatzstoffe in den Lebensmitteln, gefolgt vom Erscheinungsbild und der Kennzeichnung des Lebensmittels. In rund 110 Fällen überzeugte die Verbraucherzentrale die Hersteller, die beanstandeten Angaben zu ändern.

Insgesamt zog die Verbraucherzentrale eine kritische Bilanz: "Mit einer Änderungsquote von 30 Prozent sind wir nicht zufrieden", sagte Billen. Neben den Herstellern sei auch die Politik verpflichtet, sich stärker um die Belange der Verbraucher zu kümmern. "Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass Herkunft und Hersteller eines Produkts explizit benannt werden", sagte Billen. (AFP)