Essen. Als „Darknet“ bezeichnet man geschlossene Netzwerke - die beispielsweise von Oppositionsbewegungen in diktatorischen Staaten genutzt werden. Allerdings nutzen Kriminelle die Technik auch als virtuellen Handelsplatz für Joints und Waffen. Die Polizei in NRW und Bayern hat die Spur ins Schattenreich aufgenommen.

Dienstag letzter Woche, sechs Uhr morgens: In elf Orten des Ruhrgebiets, von Velbert über Essen, Herten, Unna bis nach Wickede, schellen Fahnder mutmaßliche Dealer aus dem Bett. Als der Tag zu Ende ist, haben sie 14.000 Euro Bares und 11.000 Ecstasy-Tabletten sichergestellt und acht inzwischen geständige Verdächtige vorläufig festgenommen. Sie haben Rechner und Datenträger eingepackt. Auf die besonders haben sie es abgesehen.

48 Stunden später, in den Morgenstunden des 4. Juli, läuft im Süden der Republik eine andere, ähnliche Operation an. Sie nennen sie „Seidenstraße“. 70 Beamte sprengen in Bayern, Baden-Württemberg, aber auch in Brandenburg und Berlin den nächsten Händler-Ring. Mehr als hunderttausend Euro werden beschlagnahmt. Vier Menschen gehen, erst einmal, in den Bau.

Ein großer Coup

Ewald Weinberger von der Polizei in Hagen sagt, es gebe keinen Zusammenhang der beiden zeitnahen Unternehmen. Aber die Methoden der Dealer waren dieselben. Den Verkauf der heißen Ware haben sie nicht auf der Straße, sondern über das Darknet organisiert. Es ist ein großer Coup, dass die Polizei erstmals mutmaßliche Kriminelle dieser Szene fassen konnte. Hat sie ein Loch im dunklen Netz geortet?

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Als Darknet bezeichnet man in sich geschlossene Netzwerke, in denen die Beteiligten Informationen und Daten verschlüsselt und anonymisiert austauschen. In Staaten, in denen es eine harte Zensur gibt, organisiert sich oftmals die Opposition über solche Netzwerke. Über das Netzwerk Tor auf der Dark­net-Plattform Silkroad allerdings können Kunden Kokain, Heroin, Amphetamine „wie bei Amazon“ einkaufen, berichtet ein bayerischer Fahnder ein. Händler können sich für die Lieferqualität mit Sternchen loben lassen. Es gibt Warenkörbe, die man wie im Supermarkt vollpackt. Bezahlt wird in BitCoins, der virtuellen Währung, die in echte Euros umgetauscht werden können. Den Stoff liefert die Post im Paket.

Waffen, Pornos und Killer

Der virtuelle Handelsplatz, auf dem, so heißt es, neben dem täglichen Joint auch Waffen, Kinderpornos und Auftragskiller gekauft werden, war den Ermittlungsbehörden bis jetzt verschlossen. Vielleicht ist das mit ein Grund, weshalb sich in Polizeiwachen und Zolldienststellen Frust aufbaut.

Sie haben nämlich dort seit Langem den Eindruck, den Anschluss verloren zu haben. Sichergestellte Rauschgift-Mengen stagnieren seit Jahren oder gehen sogar zurück. Dabei ist der Markt stabil. Polizeiaktionen haben keinen Einfluss mehr auf Rauschgiftpreise. Jedes sichergestellte Kilo wird ersetzt.

In internen Unterlagen wird angedeutet, es könne wohl der verschlüsselte Internethandel sein, der die Schlagkraft mindert.

Polizei in Hagen spricht von einem enormen technischen Aufwand

Wie die Polizei im Ruhrgebiet und in Bayern die Spur in das elektronische Schattenreich aufgenommen hat, das behält sie für sich. Es sei „klassische Kleinarbeit“ gewesen, hat Joachim Huber vom bayerischen Landeskriminalamt der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt. Die in der NRW-Aktion federführende Polizei Hagen spricht etwas präziser von einem „enormen technischen Aufwand und umfangreicher konspirativer Überwachung“.

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Offensichtlich haben Schnittstellen zum herkömmlichen Handel und – zumindest im Fall der bayerischen Polizei – mehrere Auslieferstellen an der niederländischen Grenze eine Rolle gespielt. Irgendwann mussten die Internet-Dealer ja den uralten Postweg für die Zustellung nutzen. Auch ein dunkles Netz hat Grenzen.