Istanbul. . Ein Streit um die Zerstörung eines Parks in Istanbul hat in der Türkei eine Protestwelle ausgelöst, die inzwischen mehrere Städte erfasst hat. Zehntausende wütender Bürger marschierten am Freitagabend in der türkischen Metropole rund um den zentralen Taksim-Platz. Die Polizei setzte so viel Tränengas ein, dass die Luft auch in den angrenzenden Stadtteilen gasgeschwängert war.

Im türkischen Istanbul sind bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und Gegnern eines Städtebauprojekts dutzende Menschen verletzt worden. Zwei Menschen wurden am Freitag mit Wunden am Kopf ins Krankenhaus gebracht, andere erlitten Knochenbrüche, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur berichtete. Seit Tagen hatten sich immer mehr Menschen im Zentrum der Metropole versammelt, um für den Erhalt eines Parks zu demonstrieren.

Die Polizei setzte am Freitag Wasserwerfer sowie große Mengen von Tränengas und Pfefferspray gegen die Demonstranten ein. Mehrere Verletzte lagen bewusstlos am Boden. Weitere Demonstranten wurden auf der Flucht vor der Polizei verletzt, als ein Baugerüst zusammenbrach. Der Istanbuler Polizei wird immer wieder vorgeworfen, auch bei friedlichen Protesten mit übertriebener Härte zu reagieren.

In Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften schrien einige Demonstranten: "Ihr bringt uns um!" Mehrere Protestteilnehmer warfen Steine auf die Beamten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von mehr als 100 Verletzten, die Behörden von zwölf Menschen, die in Krankenhäusern behandelt würden. Landesweit gingen in mehreren Städten der Türkei tausende Menschen auf die Straßen, um sich mit den Demonstranten in Istanbul zu solidarisieren.

"Stuttgart 21" in Istanbul - Bäume sollen Bauprojekt weichen

Der Grund des Protest hat Ähnlichkeiten mit dem Streit um das Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21": Im Gezi-Park am zentralen Taksim-Platz soll nach dem Willen der Stadtverwaltung ein Kasernengebäude aus dem 18. Jahrhundert neu errichtet werden, in dem später unter anderem ein Einkaufszentrum untergebracht werden soll. Außerdem ist ein Kulturzentrum geplant. Für die Bauarbeiten sollen einige der rund 600 Bäume in dem Park an andere Orte verpflanzt werden. Die Arbeiten begannen im November. Am Freitagabend entschied ein Gericht, dass sie vorläufig ausgesetzt werden sollten.

Die Protestbewegung kritisiert, dass die Umgestaltung eine der letzten Grünflächen im Stadtzentrum vernichten würde. Seit Montag besetzten Anwohner und Naturschützer in wachsender Zahl den Park. Dabei wurden sie von Parlamentsabgeordneten der Opposition unterstützt. Täglich kam es zu kleineren Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der Protest richtet sich auch allgemein gegen Großprojekte der Regierung, etwa die neue Brücke über den Bosporus und einen dritten internationalen Flughafen für Istanbul.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wies die Einwände der Parkaktivisten am Mittwoch zurück. "Macht, was Ihr wollt, wir haben entschieden", sagte er. In Istanbul regiert Erdogans islamisch-konservative Partei AKP.

Die US-Regierung zeigte sich am Freitag "besorgt" angesichts der Gewalt. "Der beste Weg, für Stabilität, Sicherheit und Wohlstand zu sorgen, ist, die Meinungsfreiheit zu respektieren", sagte Außenamtssprecherin Jennifer Psaki. (afp)