Berlin. David Berger (45), katholischer Theologe und Kirchenkritiker, ist jetzt Chefredakteur des in Berlin erscheinenden schwulen Monatsmagazins “Männer“. Das Juni-Heft ist die erste von dem Autor (“Der heilige Schein“) verantwortete Ausgabe. Es erscheint in diesen Tagen.

Normalerweise wäre es kein großes Thema, wenn eine Schwulenzeitschrift einen neuen Chefredakteur bekommt - aber was ist bei diesem Mann schon normal? Die Karriere von David Berger (45) klingt kurios. Der Theologe machte jahrelang eine glänzende Karriere in konservativen Kreisen, war Chef der katholischen Monatsschrift "Theologisches".

Inzwischen ist er eine Art Kronzeuge gegen Vatikan und Co. geworden - und jetzt ausgerechnet Chefredakteur eines Homosexuellen-Magazins. Die erste von ihm verantwortete Ausgabe der Lifestyle-Zeitschrift "Männer" erscheint in diesen Tagen (29. Mai).

Athletisch, körperbewusst, Mittvierziger

Berger fällt im Schwulenviertel von Berlin-Schöneberg nicht groß auf - vorausgesetzt, man folgt dem Homo-Klischee von athletischen, körperbewussten Mittvierzigern, das in dieser Ecke der Hauptstadt in der Tat oft bedient wird. Hier zog Berger im vergangenen Jahr von Köln aus hin. Der Sitz des Bruno-Gmünder-Verlags, in dem die Zeitschrift "Männer" (früher auch "Männer aktuell") erscheint, ist nicht weit.

Mit dem Verlag arbeitete Berger bereits vor Monaten erfolgreich zusammen, als es darum ging, dem radikalen katholischen Portal "kreuz.net" das Handwerk zu legen.

Lebensgefährten als "Cousin" vorgestellt

Drei Jahre nach seinem Coming-out in der "Frankfurter Rundschau" schrieb Berger kürzlich bei Facebook (wo er gern postet): "Es war seither nicht immer leicht, aber ich würde es wieder tun. Und die letzten drei Jahre waren insgesamt eine tolle Zeit, v.a. auch dank der Solidarität vieler guter Freunde und eines großartigen Manns an meiner Seite."

Nach zwei Jahrzehnten als Vorzeige-Katholik hatte Berger im April 2010 sein Schweigen gebrochen, er hatte die Bigotterie satt. Etwa, dass er seinen Lebensgefährten bei offiziellen Anlässen als "Cousin" vorstellte, um akzeptiert zu werden. Als er plötzlich nicht mehr dem merkwürdigen Spiel "Was nicht ausgesprochen wird, existiert auch nicht" folgte, entließ man ihn aus der Päpstlichen Thomas-Akademie in Rom, wo er eine Zeit lang der jüngste Professor gewesen war.

Abrechnung mit fundamentalistischen Kirchenkreisen

Im November 2010 erschien das autobiografische Buch "Der heilige Schein", eine Abrechnung mit fundamentalistischen Kirchenkreisen. Berger argumentiert stets christlich gegen das Verteufeln von Homosexualität, es gebe dafür keine gute Bibel-Grundlage. Nähme man entsprechende Stellen im Alten und Neuen Testament wörtlich, dürften Christen auch keine Kleidung aus Mischgewebe tragen oder Schalentiere essen. Dennoch entzog ihm der Kölner Kardinal Joachim Meisner im Mai 2011 die Lehrberechtigung für katholischen Religionsunterricht.

Berger gab seitdem unzählige Interviews, war in Talkshows zu Gast, schrieb Essays und provozierte, beispielsweise mit Thesen zur weit verbreiteten Homosexualität unter katholischen Klerikern. Er prangerte Unehrlichkeit und "Erpressungsmechanismen" innerhalb der Kirche an, bezeichnete die Ehelosigkeit und das Sexverbot für Priester als Machtinstrument, das besonders fügsame Untergebene beschere. Mit alledem machte sich Berger eine Menge Feinde, gewann aber auch Fans.

In den vergangenen Wochen hat Berger ein neues Thema für sich entdeckt: Eindringlich warnt er vor französischen Zuständen in Deutschland. Seitdem in Frankreich Hunderttausende gegen die Ehe-Gleichstellung von Homosexuellen auf die Straße gingen, ist dort ein Anstieg schwulenfeindlicher Gewalttaten zu beobachten gewesen.

Da die verschleppte Homo-Ehe auch hierzulande wohl noch einige Monate Thema bleibt, verlangt Berger vor allem vom Fernsehen mehr Verantwortungsgefühl. Immer wieder geben Talkshows Leuten ein Forum, die Lesben und Schwule diffamieren, wie Berger meint. Während es bei Rassismus, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit einen Konsens gebe, der zwischen Herabsetzung und Meinungsäußerung unterscheide, lasse die Sensibilität bei Homophobie (also Feindlichkeit gegenüber Lesben, Schwulen oder auch Trans-Menschen) oftmals zu wünschen übrig. (dpa)