Amsterdam. . Rolf Seelmann-Eggebert ist der TV-Adelsexperte überhaupt. Wie sieht der große alte Mann der blaublütigen Szene den Thronwechsel in Holland, der an diesem Dienstag stattfindet? Seine Antworten überraschen. Annika Fischer sprach mit ihm über den neuen niederländischen König, über Monarchie-Modelle und die Krone, die (fast) kein gekröntes Haupt mehr trägt.

Rolf Seelmann-Eggebert berichtet als Adelsexperte der ARD Koninginnedag für die ARD aus Amsterdam.

Sie waren bei allen königlichen Hochzeiten der vergangenen Jahre – aber eine Krönung haben Sie auch noch nicht erlebt, oder?

Seelmann-Eggebert: Nein. Es hat so etwas gegeben, als der norwegische König Harald übernahm, nach dem Tod seines Vaters Olaf. Damals war in Trondheim eine kirchliche Veranstaltung, aber eine Krönung war das nicht.

Es ist ja auch in Amsterdam keine Krönung, niemand bekommt die Krone aufgesetzt.

Seelmann-Eggebert: Eine echte Krönung gibt es in ganz Europa nur noch in Großbritannien. Es gibt Salbungen, es gibt Eidesleistungen, nun ist es eine „Huldigung“ – wobei das ein merkwürdiges Wort ist, das ich noch schlimmer finde als Krönung. Die Krone trägt nur noch die englische Königin und später Charles. Nur dort wird um die Krone noch ein bisschen Bohei gemacht, da spielt sie eine richtige Rolle. In den Niederlanden liegen die Reichsinsignien einfach auf einem roten Samt, werden vom künftigen König nicht in die Hand genommen.

„Dieser Akt hat überhaupt keinen kirchlichen Hintergrund mehr“

Bei aller Erfahrung – ist es eine Herausforderung, diese so andere Hochadelsfeier zu begleiten?

Seelmann-Eggebert: Na ja, es ist eigentlich nicht einmal eine Hochadelsfeier, sondern ein staatlicher Akt. Ich habe mich bei königlichen Veranstaltungen noch nie sehr um Regierungen gekümmert, aber dies ist eher ein hoheitlicher Akt, der von einer Regierung durchgeführt wird und überhaupt keinen kirchlichen Hintergrund hat – die Nieuwe Kerk ist ja auch längst kein sakraler Raum mehr.

„Die Häuser werden vertreten sein durch Kronprinzen“

Die anderen Häuser in Europa werden diesen Akt zu einem königlichen Ereignis machen. Zwar strömen nicht die Könige dieser Welt in Amsterdam zusammen, aber die Häuser werden vertreten sein durch Kronprinzen. Weil man doch dabei sein möchte, wenn einer seinesgleichen dieses hohe Amt erreicht hat. Es ist, als wenn ein Bundespräsident seinen Amtseid leistet, wird aber dadurch besonders, dass so viele kommen, die man kennt: Prinzessinnen und alles, was mit Pracht und Herrlichkeit zu tun hat. Leute, wo man sagt: Wenn er jetzt noch nicht König ist, wird er es doch irgendwann, demnächst.

In der Tat tritt der erste der kommenden Generation aus Haakon, Felipe, Frederik an. Beginnt da eine neue Zeit?

Seelmann-Eggebert: Was sich ändert, entscheidet jedes Volk für sich. Bei den Niederlanden ist es diese Geschichte, die man nirgendwo in gleicher Weise erlebt hat: dass man die Krone mit warmer Hand weitergibt. Dass man alt wird und sagt, jetzt können die Jüngeren es vielleicht besser als ich – das hat die anderen Königshäuser sicher fasziniert. Ich stelle mir vor, dass sie auf der einen Seite sagen: Nein, wir können nicht vom alten Muster abkehren, aber auf der anderen Seite werden sie es zum Teil mit Neid sehen. Eine interessante Frage, wie sich das entwickelt, vor allem auch, ob Willem-Alexander eines schönen Tages so ähnlich handelt und sagt: Dankeschön, jetzt ist Amalia dran. Es kann auch sein, dass er es als männliches Privileg sieht, es bis zum Ende zu machen.

„Man muss bei der Sitzordnung aufpassen“

Apropos männlich: Die Niederlande bekommen nach drei Königinnen wieder einen König. Bringt ein Mann an der Spitze Veränderung?

Seelmann-Eggebert: Man muss bei der Sitzordnung aufpassen! (lacht) Ehrlich gesagt, glaube ich das nicht. Es wird viel mehr darauf ankommen – und das könnte eine Frau genau so machen – wie er stilistisch auftritt. Damit, dass er sagt, er lege auf „Majesteit“ keinen Wert, setzt er sich von seiner Mutter ab. Beatrix war eine strikte Regentin, die auf Form und Inhalte achtete, sehr pflichtbewusst war, während ihre eigene Mutter eine Art Landesmutter war, von allen geliebt. Zwischen diesen beiden Modellen, Mutter und Großmutter, hat er jetzt die Wahl, es wird interessant sein, wie er’s macht.

Was glauben Sie denn, wie er’s machen wird?

Seelmann-Eggebert: Ich fände sehr gut, auch wenn er keine Ämter mehr ausfüllen kann, wenn er sich weiter mit Inhalten beschäftigte. Er hat in den letzten zehn Jahren ja vor allem dadurch hinzugewonnen, dass er sich um Umweltfragen gekümmert hat. Das war ein Rat seines Vaters: Ein König, der keine Aussagen machen kann, ist lange nicht so wertvoll wie ein König, der von einer Sache was versteht. Das hat er sich sehr zu Herzen genommen. Man wird ihn häufiger bei Veranstaltungen dieser Art sehen als bei, sagen wir, gehobenen Kindergarten-Veranstaltungen. Dafür ist dann Maxima eher da, aber das werden die noch auszukegeln haben.

Glauben Sie, dass die Monarchie in diesem Land mit seinen starken republikanischen Kräften solche Volksnähe überlebt?

Seelmann-Eggebert: Es gibt diese Kräfte überall in den Monarchien, aber die haben sich derart zu zeitnahen Systemen verändert, dass der politische Einfluss eines Monarchen sehr gering ist. Heute sind sie alle nur noch Repräsentationsfiguren. Ob Sie einen Bundespräsidenten haben oder einen König: Der Unterschied besteht darin, dass der König einmal antritt und für den Rest seines Lebens meistens König ist. Und wenn er seine Sache gut macht, freuen sich die Leute, dass es ihn gibt. Beim Bundespräsidenten sind sie traurig, wenn er seine Sache gut gemacht hat und nach zwei Amtsperioden wieder gehen muss. Für mich ist das keine grundsätzliche Frage mehr, und wer sie dazu macht, hat das Wesen der Monarchie heute nicht verstanden.

Auch interessant

„Letzte Obrigkeit – ist doch schön, so etwas zu haben“

Bei den Holländern ist es klar, dass sie eher für eine Monarchie sind, auch nachdem, was sie mit ihrem Königshaus im Zweiten Weltkrieg erlebt haben: Es ist Symbol des Widerstandes gewesen. Dieser Ruf ist vor allem beiden älteren Niederländern noch drin. Die jüngere Generation hat auch Identifikationsfiguren, zum Beispiel mit Máxima, das wächst nach. Bange muss einem um kein Königshaus in Europa sein. Letzte Obrigkeit – ist doch schön, so was zu haben.

Heute steigt in den Niederlanden eher eine Mega-Party als eine feierliche Veranstaltung. Schade?

Seelmann-Eggebert: Ich finde das zeitgemäß. Wenn so etwas alle 40 Jahre mal passiert, freut sich ein Volk und will das auch.

Und das deutsche nebenan mit.

Seelmann-Eggebert: Das glaube ich bestimmt, und ich will das auch.