Essen. . Liedermacher Reinhard Mey bringt ein neues Album raus. Der Titel „Dann mach’s gut“ soll aber kein Abschied von der Bühne sein. Warum auch? Anfangs belächelt, ist Reinhard Mey mittlerweile längst zum Volksgut geworden. Seine Tournee durch 60 Städte, die alle drei Jahre stattfindet, ist ausverkauft.
Früher war auch nicht alles gut. Betrachten wir nur mal die Lage des Liedermachers in den ach so tollen Sechzigern und Siebzigern am Beispiel von Reinhard Mey. Der hatte es damals wirklich schwer mit seinen gefühlvollen Balladen.
Selbst Bob Dylan machte inzwischen mit der Elektrogitarre mächtig Krach. Die deutschen Kollegen prangerten derweil mit beinharten Protestsongs das Elend der Welt an, und die Franzosen, ach Gott, die waren ja so was von uncool, die Franzosen, tauglich nur als Ohrenschmaus für frankophile Käselutscher.
"Heino des Dritten Programms"
Reinhard Mey dagegen war schon immer Reinhard Mey. Während auf der Kleinkunstbühne der Republik das Elend der Kaffeepflücker von Nicaragua vertont wurde, beschwor er die Freiheit über den Wolken, wo sie abstrakt und wohl grenzenlos war. Der Kabarettist Dieter Hildebrandt verspottete ihn deshalb als „Heino des Dritten Programms“.
Das hat ihn verletzt, den Reinhard Mey, und vielleicht dazu bewogen, trotzig auf die Grenze zwischen Schlager und Chanson hinzuweisen. Kommerzieller Erfolg, so erklärte er einst in einem Interview, mache einen in Deutschland erstmal verdächtig, schnell sei man da als Schlager-Fuzzi abgestempelt.
Längst Volksgut
Die Auftritte in der ZDF-Hitparade waren bei dieser Definition vielleicht nicht ganz hilfreich, aber wo sollte er sonst hingehen, der Liedermacher in den ach so tollen Sechzigern, den Siebzigern.
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Ein knappes halbes Jahrhundert später ist vieles besser. Reinhard Mey und seine Lieder sind längst zum Volksgut geworden. Jeder kann wenigstens ein paar Takte von „Über den Wolken“ summen. Oder schmunzelt über die „Annabelle“, so „herrlich intellektuell“, und in Holland klingt ein Radioprogramm immer noch mit dem Abschiedsgruß „Gute Nacht, Freunde“ aus.
"Dann mach's gut" erscheint am 3. Mai
Regelmäßig wird ein neues Studioalbum veröffentlicht, 26 sind es inzwischen, dazu sieben in Frankreich, wohin er sich zeitweise flüchtete und als „Frederik Mey“ ebenfalls höchst erfolgreich wurde. Zu den mehr als 500 Songs kommen jetzt noch mal 17 dazu, im Album „Dann mach’s gut“, das am 3. Mai erscheint, verdächtig nach Abschied klingt und es doch nicht sein soll. Warum auch, wenn die Tournee durch 60 Städte, die alle drei Jahre stattfindet, weiterhin ausverkauft ist und man noch so viele Lieder im Kopf hat.
Sein Herz legte Reinhard Mey in der Öffentlichkeit eigentlich ungern frei, aber alle Fragen beantwortet er dennoch mit verbindlicher Freundlichkeit. Die Arte-Reporterin, die ihn für die Sonntagssendung „Square“ (28. April, 11.45 Uhr) im Museum trifft, wird denn auch artig mit allem bedient, was sie für eine passable Sendung benötigt, mehr nicht.
Einmal hat Reinhard Mey viel mehr von sich preisgegeben, bei Beckmann, eine familiäre Tragödie, die wahrscheinlich sowieso an die Öffentlichkeit gekommen wäre. Sohn Max fiel 2009 mit einer verschleppten Lungenentzündung in ein Wachkoma und wird künstlich beatmet.
Sohn Frederik fliegt auch über den Wolken
Vielleicht auch deshalb spricht Reinhard Mey heute auch öffentlich voll Zärtlichkeit über die beiden anderen Kinder. Tochter Victoria-Luise macht sich gerade als Geschäftsfrau selbstständig, und Sohn Frederik fliegt nach einer Zimmermannslehre Fracht um die Welt, als Pilot über den Wolken.
Er nahm seinen Vater, der am 21. Dezember seinen 70. Geburtstag feierte, schon mal mit auf solch eine Reise, und der hat daraus natürlich ein Lied gemacht. Ein schönes Lied ist das, veröffentlicht auf dem neuen Album.
Es beschreibt die Liebe, und wie man voll zärtlicher Wehmut beobachtet, wie der Enkel dem Sohn nach der Heimkehr um den Hals fällt, ganz so, wie man es doch selbst erlebte, ist das wirklich schon so lang her, wie also alles von vorn anfängt und wie alles immer weitergeht. Und wie alles im Leben zusammenhängt, auch die Freiheit über den Wolken und die Lage der Kaffeepflücker in Nicaragua.