Istanbul. . Die türkische Regierung plant eine rund 50 Kilometer lange künstliche Wasserstraße vom Schwarzen Meer bis zur Ägäis. Der Planungsrat in der türkischen Hauptstadt Ankara gab für das Milliardenprojekt jetzt das Okay. Der Schiffsverkehr im Bosporus wächst seit Jahren.
Der türkische Premier Tayyip Erdogan spricht selbst von einem „verrückten Projekt“. Dabei ist es seine Idee. Ob verrückt oder nicht, das Vorhaben soll umgesetzt werden: Jetzt gab der Hohe Planungsrat in Ankara grünes Licht für den Bau des Istanbul-Kanals. Die rund 50 Kilometer lange künstliche Wasserstraße soll vom Schwarzen Meer in die Ägäis führen und den Bosporus entlasten, die bisher einzige natürliche Verbindung zwischen beiden Meeren.
Der Schiffsverkehr im Bosporus hat in den vergangenen Jahren ständig zugenommen. Heute passieren pro Tag rund 150 Schiffe die Meeres-Enge. Der Bosporus ist ein Nadelöhr: In 14 engen Kurven müssen die Kapitäne ihre Schiffe durch die 32 Kilometer lange Wasserstraße steuern. Tückische Strömungen erschweren die Navigation.
Eine zusätzliche Gefahr stellen die vielen Fährschiffe und Ausflugsboote dar, die zwischen dem europäischen und dem asiatischen Ufer des Bosporus pendeln und dabei den Nord-Süd-Verkehr ständig kreuzen. Vor allem Öl- und Gastanker sind ein wachsendes Risiko für die Menschen der Megacity Istanbul, die beiderseits der Meerenge liegt. Jeden Tag werden etwa 300.000 Tonnen Öl und Flüssiggas durch die Wasserstraße transportiert, vor allem aus Russland.
Bauzeit und die Kosten noch unklar
Der Plan, den Bosporus mit einem künstlichen Kanal zu entlasten, ist nicht neu. Erdogan propagierte die Idee schon in den 1990er- Jahren, als er Oberbürgermeister von Istanbul war. Jetzt haben sich die Pläne konkretisiert: Der Kanal soll rund 40 Kilometer westlich des Bosporus vom Terkos-See an der Schwarzmeerküste nach Süden verlaufen und zwischen der Ortschaft Silivri und dem Büyükcekmece-See das Marmarameer erreichen. Mit einer Tiefe von 25 Metern und 150 Metern Breite soll die künstliche Wasserstraße sogar Supertanker aufnehmen können. Die Kapazität des Kanals soll bei 160 Schiffspassagen pro Tag liegen. Er könnte damit den gesamten Schiffsverkehr des Bosporus aufnehmen.
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Offizielle Angaben über die Bauzeit und die Kosten gibt es bisher nicht. Schätzungen gehen aber in eine Größenordnung von sieben bis zehn Milliarden Euro. Der Kanal ist nur eines von mehreren Großprojekten, mit denen Premier Erdogan sein Land in die Liga der zehn größten Wirtschaftsnationen der Erde führen möchte.
Größter Flughafen der Welt geplant
Beiderseits der Wasserstraße könnten neue Trabantenstädte entstehen, die Istanbuls Bevölkerungswachstum aufnehmen sollen. Die Stadt hat nach offiziellen Angaben bereits knapp 14 Millionen Einwohner. Tatsächlich sind es aber wohl eher 18 Millionen, und man nähert sich mit großen Schritten der 20-Millionen-Marke. Die Kanalregion ist auch für den Bau der Olympia-Sportstätten ausersehen, falls Istanbul die Austragung der Sommerspiele 2020 gewinnen sollte. In der Nachbarschaft des Kanals soll außerdem der neue Istanbuler Flughafen gebaut werden, der größte der Welt.
Wirtschaftsminister Ali Babacan bezeichnet den Istanbul-Kanal als „ein realistisches Projekt, von dem die Welt sprechen wird“. Es gibt aber auch skeptische Stimmen: Umweltschützer warnen, der Kanal werde eines der wichtigsten Waldgebiete westlich von Istanbul durchschneiden und damit den Wasserhaushalt, das Klima, die Fauna und Flora der Region nachhaltig verändern.