Marl/Köln. . Seit 1964 wird der Grimme-Preis alljährlich in Marl verliehen. Er zeichnet herausragende Stücke des deutschen Fernsehens aus. Stellt sich die Frage, welcher Sender in der ewigen Bestenliste vorn liegt. Das Ergebnis überrascht wenig, die Erklärung dafür umso mehr.
Alljährlich zeichnet der Grimme-Preis in Marl herausragende Stücke des deutschen Fernsehens aus. Das Beste, was TV-Film und Serie, Reportage und Dokumentation, Show und, manchmal auch, Sport zu bieten haben. Jenseits kurzfristiger Trends stellt sich die Frage: Welche Sender stehen in der ewigen Bestenliste vorn? Das Ergebnis überrascht wenig, umso mehr dagegen die Erklärung dafür.
Kurz vor der diesjährigen Grimme-Gala am Freitagabend in Marl hat sich der WDR die Mühe gemacht, alle Trophäen aufzulisten, die der öffentlich-rechtliche Landessender seit der ersten Preisverleihung im Jahr 1964 erhalten hat. Die Statistiker kamen auf 213 Grimmes. Ebenso viele Auszeichnungen gingen ans ZDF.
Das Privatfernsehen schneidet traditionell schlecht ab
Damit belegen die beiden Sender die Spitzenposition. Das Privat-TV indes schneidet bei der Vergabe der Grimmes traditionell schlecht ab. Sat.1 kam in den all den Jahren auf elf Preise, RTL auf nur zehn.
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Woran liegt’s? Einer der Gründe: Das Privatfernsehen weiß, dass sich Information allzu oft als Quoten-Gift erweist – auch wenn Nachrichten und Erklärstücke, Reportagen und Dokumentation notwendige Beiträge zum Funktionieren der Demokratie sind. Ohne Wissen kann das Wahlvolk keine begründeten Entscheidungen treffen.
Öffentlich-Rechtliche unterstützen investigative Recherche
Umgekehrt unterstützen vor allem öffentlich-rechtliche Sender unbequeme Recherchen, die gern mit dem Attribut „investigativ“ belegt werden. So erhielt WDR-Autor Gert Monheim 1987 einen Grimme für die Doku „Gesucht wird...eine Todesursache“ über einen Medikamenten-Skandal, in den der Pharma-Konzern Hoechst verwickelt war. Monheim erklärte, das Grimme-Institut sei von dem Unternehmen „mit massiven Drohungen, auch mit möglichen juristischen Konsequenzen unter Druck gesetzt worden“. Dies habe Institut und Jury „überhaupt nicht beeindrucken“ können.
Dokus in den spätabendlichen Randzonen
Dennoch konnten die Auszeichnungen nicht verhinderten, dass selbst die Öffentlich-Rechtlichen die Information weitgehend in abendliche Randzonen verlegt hat. Das gilt auch für den WDR. So wurde die aktuell mit einem Grimme bedachte Doku „Seelenvögel“ über kleine Leukämie-Kranke am 28. März um 23.30 Uhr gezeigt.
"Tatortreiniger" gewinnt Grimme-Preis
Stellt sich weiter die Frage, warum WDR und ZDF bei Spielfilmen – Fernsehjargon: Fiktion – so häufig ausgezeichnet werden. Zyniker verweisen darauf, dass WDR und ZDF zu den Gesellschaftern des Institutes gehören. Das allerdings greift zu kurz. Vielmehr spiegelt die hohe Zahl der Trophäen die redaktionelle Stärke der beiden Sender. Das ZDF bietet mit dem Montagsfilm der Woche oft positive Überraschungen. Und der WDR stellt am Mittwoch im Ersten einen erhebliches Kontingent an Filmen, die aus der Masse herausragen (wie „Der letzte schöne Tag“ mit Wotan Wilke Möhring).
„Der letzte Bulle“ zählt zu den positiven Ausnahmen
Umgekehrt haben sich die Privatsender weitgehend von Filmen und Serien verabschiedet, die im besten Sinne für Aufsehen sorgen. Während Sat.1 mit den Montagsserien „Der letzte Bulle“ und „Danni Lowinski“ interessante Projekte starteten, produzierte RTL allzu oft Material, bei dem Klasse und Masse im Missverhältnis standen.
Und Shows? Grimme hat sich in den letzten Jahren lockerer gemacht. Aber dem Institut stünde gut zu Gesicht, auch in diesen Bereichen Neuerungen noch ernster zu nehmen – so kritisch wie offen.