Washington. Stalking war gestern. Heute schicken böse Zeitgenossen Hollywood-Promis wie Justin Bieber, Tom Cruise oder Ashton Kutcher mit vorgeschobenen Überfällen Polizei-Spezialeinheiten ins Haus. Inzwischen mehren sich Stimmen, die ein hartes Vorgehen gegen die Missetäter verlangen.

Der Anrufer, der über 911 in die Leitung kam, wirkte präzise und überzeugend: „In der Villa von Sean Combs sind Schüsse gefallen. Ein Mann ist tot.“ Die Einsatzleitung der Polizei von Los Angeles reagierte sofort. Zwölf Streifenwagen rückten an der Villa des Hip-Hop-Stars in Hollywood an. Zwei Hubschrauber setzten den Tatort mit Scheinwerfern und Kameras ins rechte Licht. Die Officer waren schwer bewaffnet und auf alles gefasst - nur darauf nicht. Das Anwesen des Künstlers, der besser bekannt ist unter dem Namen P. Diddy, war leer. Keine Schüsse, keine Leiche. Falscher Alarm.

Die Szene vom 3. April ist kein Einzelfall. Immer häufiger haben es Hollywood-Größen nicht nur mit liebestollen Fans (Stalkern) oder klicksüchtigen Paparazzi zu tun. Sondern mit übel meinenden Zeitgenossen, die aus Geltungssucht oder Hass krimireife Szenen in den Palästen der Stars erfinden, sich mit schwer zurück zu verfolgenden Anrufen in die Notrufleitung hängen und die Polizei in Marsch setzen. Die Liste der Opfer, die in den Medien breiten Niederschlag finden, reicht von Justin Timberlake über Mel Gibson und Justin Bieber bis zu Tom Cruise.

„Swatting“ heißt das Phänomen, benannt nach den Spezialeinsatzteams (SWAT) der Polizeibehörden. Über 100 Fälle, die meisten davon in Kalifornien, beschäftigen die Bundespolizei FBI. Die Polizei von Los Angeles schlägt Alarm. „Echte Kriminalitätsbekämpfung leidet unter diesen teuren Einsätzen, die oft fünfstellige Kosten verursachen. Die Verursacher müssen endlich härter bestraft werden, bevor noch etwas Schlimmes passiert“, sagte Polizei-Chef Charlie Beck der „Los Angeles Times“.

Bei Rapper Chris Brown hatte ein Anrufer "häusliche Gewalt" erfunden

Gemeint sind Fälle wie der von Simon Cowell oder Rap-Rüpel Chris Brown. Der prominente TV-Macher und Juror der Castingshow "American Idol", zu deren Ablegern „Deutschland sucht den Superstar“ gehört, saß abends daheim auf dem Sofa, als die Ordnungshüter mit gezückten Waffen an die Tür klopften. Ein Anonymus hatte eine Schießerei in Cowells Haus angezeigt. Alles frei erfunden. Bei Brown, der einst Schlagzeilen schrieb, weil er seine Freundin Rihanna verprügelte, hatte der Telefon-Verleumder perfiderweise „häusliche Gewalt“ erfunden. Becks Sorge: „Irgendwann wird bei einem dieser Einsätze noch ein Unschuldiger getötet.“ Zumal die Anrufer raffiniert vorgehen und mit Hilfe technischer Tricks der Polizei-Einsatzentrale vorgaukeln, dass der Notruf tatsächlich aus der jeweiligen Promi-Villa kommt.

Inzwischen reagiert die Politik. Der demokratische Senator Ted Lieu, in dessen Distrikt von Bel Air und Beverly Hills die meisten „Swatting“-Opfer leben, propagiert einen Gesetzentwurf, der Geldstrafen in hoher fünfstelliger Höhe vorsieht und ein Minimum von 120 Tagen Gefängnis. Die geltende Norm sieht bei Missbrauch der Notfall-Nummer 911 zwar eine Gefängnisstrafe von einem Jahr vor. In der Regel kommen Übeltäter aber mit Bewährung davon. Nur ganz selten gelingt die Überführung von „Swatting“-Tätern. Im März wurde der Verursacher eines Großeinsatzes im Haus von Ashton Kutcher vor Gericht gestellt. Nach Jugendstrafrecht. Der Täter ist 13 Jahre alt. Sein Motiv: Langeweile.