Kopenhagen. . Lange zählte Kopenhagen zu den lebenswertesten Städten der Welt. Doch seit Jahresbeginn ist das dänische Hauptstadtidyll getrübt. Denn zwei Banden liefern sich erbitterte Revierstreitigkeiten. Zehn Schießereien haben sich seit Januar ereignet.

Im sonst so beschaulichen Kopenhagen herrschen derzeit Zustände wie in einem Hollywood-Film. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln auf offener Straße zwischen rivalisierenden Banden. Allein an einem einzigen Tag in der vergangenen Woche kam es zu drei Schusswechseln.

Bei einem der Zwischenfälle war offenbar ein 17-Jähriger das Ziel. Der Jugendliche konnte entkommen. Der Citroën, aus dem die Schüsse abgefeuert wurden, wurde kurze Zeit später – um Spuren zu vernichten – in Brand gesetzt. Das Auto war bereits im Oktober vergangenen Jahres als gestohlen gemeldet worden. Am gleichen Tag wurden zehn Schüsse auf einen 28-Jährigen abgefeuert, der ebenfalls entkommen konnte. Laut Polizei war der junge Mann anscheinend nur ein rein zufälliges Ziel, ohne jegliche Kontakte zur Unterwelt. Die Polizei ist ratlos.

Seit dem Jahreswechsel kam es in Kopenhagen zu zehn registrierten Auseinandersetzungen mit Schusswaffen. Zwei Menschen starben, zahlreiche wurden verletzt. „Ich habe keine konkrete Antwort darauf. Aber wir haben keine Zweifel daran, dass die neu formierte Bande LTF versucht, ihre Konkurrenz einzuschüchtern“, sagte Michael Ask, Ermittlungschef der dänischen Landespolizei.

Drogenhandel und Schutzgeld-Erpressung

LTF steht für „Loyal to Familia“ („Loyal zur Familie“) und ist ein Zusammenschluss mehrerer krimineller Banden aus Kopenhagener Vororten und der Region Nordsjälland. LTF ist vor allem in den Drogenhandel und in Schutzgeld-Erpressungen verwickelt. „Die wollen zeigen, dass sie tatsächlich als eine schlagkräftige Einheit funktionieren“, so Ermittlungschef Ask. Auf der anderen Seite steht die „Vaerebros Harde Kerne“ (VHK). Das steht für den Vorort Vaerebros und „harter Kern“.

Spätestens seit den Schusswechseln sind nun auch Kopenhagens Kommunalpolitiker alarmiert. „Ich weiß, wir haben eine ganze Industrie von Sozialvereinen, die dafür sorgen sollen, dass die Situation im Stadtteil Norrebro unter Kon-trolle bleibt. Aber diese Projekte versagen ständig“, sagten nicht etwa die stimmenstarken dänischen Rechtspopulisten, sondern Leslie Arentoft von der größten bürgerlichen Partei Venstre. „Die vielen Millionen, die wir da reinstecken, lösen nichts“, sagt sie der dänischen Zeitung „Politiken“.

„Im besten Fall ist das weggeschmissenes Geld“, pflichtet ihr der konservative Stadtpolitiker Jakob Naesager bei. Beide Parteien kritisieren das 2010 initiierte Integrationsprojekt „Sichere Stadt“, das jährlich umgerechnet 40 Millionen Euro kostet. Das Geld habe nichts gegen die Banden ausrichten können, heißt es.

Mit Arbeit gegen Kriminalität?

Wenn der regierende sozialdemokratische Oberbürgermeister von Kopenhagen, Frank Jensen, feierlich darauf hinweise, dass die Kriminalitätsrate in Problemstadtteilen gefallen sei, gehe es lediglich um Fahrrad- und Ladendiebstähle. „Was bringt uns das, wenn uns beim Fahrradfahren die Kugeln um die Ohren fliegen?“, fragt Naesager.

Die bürgerliche Opposition fordert nun, die Hälfte des Integrationsbudgets zu kürzen und das Geld stattdessen direkt in Beschäftigungsmaßnahmen zu stecken. „Es ist besser, mit diesem Geld Jugendlichen Halbtags- oder Teilzeitstellen zu verschaffen, als damit Integrationsprojekte von Sozialarbeitern zu finanzieren. Es ist wichtig für Jugendliche zu sehen, wie es ist, eine richtige Arbeit zu haben“, sagte Pia Allerslev von Venstre.

Die Sozialdemokraten lehnen das ab. Denn das Projekt funktioniere. Allerslev wolle das Integrations-Budget halbieren, um damit Bandenmitgliedern „normale Stellen zu finanzieren“, lästert Oberbürgermeister Jensen.