Stockholm. In Dänemark könnten bis 2050 alle Dialekte verschwinden. Die Sprache wird immer einheitlicher. Wenn Unterschiede erhalten bleiben, dann werden diese nicht regional bedingt sein, erklären Experten, sondern von der sozialen Schicht und der Subkulturzugehörigkeit beeinflusst.
Man stelle sich vor: Deutschland im Jahre 2050. Von Konstanz bis Kiel berlinern alle. Es gäbe kein kerniges Bayerisch, kein breites Sächsisch, kein schwäbelndes Hochdeutsch mehr. In Dänemark ist genau diese Entwicklung derzeit in vollem Gange. Wissenschaftler des sprachsoziologischen Institutes an der Universität Kopenhagen sagen voraus, dass die Regionaldialekte in Dänemark bis 2050 ganz ausgestorben sein werden. Alle Dänen würden dann in etwa so sprechen wie die Kopenhagener. Denn deren sprachliche Einflussnahme auf das gesamte Königreich sei heute schon so gewaltig, dass die Dialekte mit dem Wegsterben der älteren Jahrgänge nach und nach gänzlich verschwinden werden.
Für ihre Vorhersagen haben die Sprachforscher 40 Jahre lang drei Dänengenerationen aus unterschiedlichen Gegenden in regelmäßigen Abständen mit Tonaufnahme interviewt und danach die Dialekte ausgewertet. Die Interviewten lebten oder leben in Kopenhagen, dem südwestlich davon gelegenen Naestved, dem südlich von Aarhus liegenden Odder und dem nordwestdänischen Vinderup. Beim Vergleich der Tonaufnahmen über mehrere Jahrzehnte hinweg wurde festgestellt, dass sich die Sprache aus den unterschiedlichen Regionen immer mehr an das Dänisch in Kopenhagen angeglichen hat. Die Sprachforscher machen vor allem die dominierende gesellschaftliche Stellung ihrer Hauptstadt dafür verantwortlich.
Minderwertigkeitsgefühle
„In Dänemark gibt es keine anderen Städte, die deutlich mit Kopenhagen konkurrieren, so wie es etwa in den USA der Fall ist. Wir haben in Dänemark auch keine Politik, die regionale Dialekte fördert, so wie die Norweger“, erklärt Sprachforscher Torben Juel Jensen. Im Gegensatz zum föderal organisierten Deutschland ist Dänemark tatsächlich sehr zentral auf Kopenhagen ausgerichtet. Von den nur 5,3 Millionen Einwohnern stellt die Bevölkerung in der Hauptstadt rund ein Drittel aus.
Aber anscheinend geht es beim Aussterben der Dialekte auch um Minderwertigkeitsgefühle. Fast alle interviewten Personen mögen zwar ihre eigenen regionalen Dialekte, so Jensen. Doch hätten die meisten von ihnen eingeräumt, dass das Hauptstadtdänisch „intelligenter, selbstsicherer, zielbewusster und cooler“ wirke als das eigene Dänisch.
„Es ist schwer sich ein anderes Szenario vorzustellen als die Übernahme des Hauptstadtdänisch im ganzen Lande. Aber Unterschiede wird es weiter geben. Die werden dann weniger von der Region als von der sozialen Schicht und der Subkulturzugehörigkeit beeinflusst“, sagt Jensen in der im „Journal of Sociolinguistics“ veröffentlichten Studie voraus.