Köln/Berlin. . 24 Stunden Kameras im Kreißsaal? Der Berliner Senat hat am Dienstag die Dreharbeiten zur neuen RTL-Reihe „Babyboom“ aussetzen lassen. Ende März soll entschieden werden, ob sie endgültig gestoppt werden.
Vollautomatische TV-Kameras auf einer Neugeborenenstation. In den Zimmern, auf den Fluren, ja sogar im Kreißsaal. 24 Stunden lang, sieben Tage die Woche. Will das jemand sehen? In England ja. Darf man das zeigen? In Deutschland vielleicht nicht. Der Berliner Senat hat gestern die Dreharbeiten zur neuen RTL-Reihe „Babyboom“ aussetzen lassen. Ende März soll entschieden werden, ob sie endgültig gestoppt werden.
Mit Ärger werden sie bei RTL gerechnet haben. Weil es ja nicht um ein paar lustige Millionäre geht, die sich beim Geld ausgeben filmen lassen. Ja nicht mal um eine Horde grenzdebiler Jugendlicher bei Saufgelagen im Urlaub. Um werdende Eltern geht es, die einen der intimsten Momente mit der Kamera teilen – die Geburt ihres Kindes. „Freiwillig“, wie RTL-Sprecher Frank Rendez immer wieder beteuert. Und nicht für Geld. Auch Schwestern und Ärzte wissen selbstverständlich Bescheid. „Hier wird niemand gefilmt, der das nicht will“, sagt Rendez. Aber viele wollen offenbar. „An Bewerbern hat es nicht gemangelt.“
Kein Mangel an Bewerbern
Auch an interessierten Kliniken nicht. Entschieden hat sich der Sender für die Entbindungsstation des Vivantes-Klinikums in Berlin Friedrichshain. Knapp 30 Kameras hat die vom Sender beauftragte Produktionsfirma mittlerweile dort aufgehängt, seit ein paar Tagen laufen die Dreharbeiten. „Wir halten das Format für seriös“, sagt Kliniksprecherin Mischa Moriceau.
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Der Berliner Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) tut das offenbar nur bedingt. Auch wenn die Mütter ihr Einverständnis erklären würden, werde das Kind später damit zu rechnen haben, mit den Filmaufnahmen konfrontiert zu werden, warnt er und stellt fest: „Die Intimsphäre und die allgemeinen Persönlichkeitsrechte des Kindes sehe ich hier nicht ausreichend gewahrt.“ Deshalb hat er gestern in Absprache mit dem Finanzsenator eine Aussetzung des Projektes angeordnet. Mindestens bis zur nächsten Sitzung des Vivantes-Aufsichtsrates am 20. März soll die Anweisung gelten. Czaja kann das anordnen. Vivantes ist ein landeseigenes Unternehmen.
Original aus England
In England dürfte die Aufregung für Unverständnis sorgen. Dort läuft das Babyboom-Vorbild „One Born Every Minute“ bereits im vierten Jahr, hat den Fernsehpreis BAFTA bekommen, und regelmäßig mehr als fünf Millionen Zuschauer. Das Geheimnis dieses Erfolges liegt in der Machart. Hier steht kein Kameramann im Weg, stört kein Tonmann den Augenblick. „Die kleinen Kameras überall im Raum hat man irgendwann komplett vergessen“, berichten Teilnehmer der englischen Reihe. Das führt dazu, dass die Szenen unglaublich authentisch wirken – und es wahrscheinlich auch sind.
Die Briten sind dann auch schon einen großen Schritt weiter. Dort gibt es mittlerweile ähnliche Formate, die den Alltag in einer Schule oder in einem Wohnhaus zeigen. RTL dürfte dagegen erst einmal zufrieden sein, wenn sie die Neugeborenen ins TV bringen. Woran der Sender noch immer glaubt: „Sämtliche Rechtefragen wurden weit im Vorfeld und in enger Zusammenarbeit zwischen Produzent und Klinik geklärt“, heißt es auf Anfrage. „Wir gehen daher davon aus, dass die Dreharbeiten weitergehen können.“
Der stellvertretende Berliner Senatssprecher Bernhard Schodrowski möchte da keine Prognose abgeben. „Eine Entscheidung darüber“, sagt er, „fällt erst am 20. März.“