London. . Single-Senioren in Großbritannien bekommen seit einigen Monaten einen Schubs in Sachen Liebe: Auf einer Dating-Plattform sollen sie auf ihre alten Tage eine neuen Partner kennenlernen. Und dafür müssen sie sich noch nicht mal selbst anmelden. Ihre erwachsenen Kinder präsentieren die Mamas und Papas auf „My lovely parent“.

Beim Tanztee ließ sich früher ganz einfach anbändeln. Heute finden sich Paare in Online-Kontaktbörsen. Allerdings: Single-Senioren bleiben lieber allein, als sich durch eine digitale Romanze zu klicken. In Großbritannien erhalten diese nun einen sanften Schubs: Erwachsene Kinder präsentieren ihre einsamen Mamas oder Papas online und spielen Amor.

Matt Connolly, ein 35-jähriger Brite, ist der Kopf hinter der neuen Internet-Plattform MyLovelyParent, die vor zwei Monaten an den Start gegangen ist. Der Clou: Hier melden Kinder ihre Eltern an und helfen ihnen, die Klippen des Online-Datings zu meistern. Das Prinzip ist simpel. Um seine Mamas, Papas, aber auch Schwiegermütter oder Onkel anzumelden, muss der Nachwuchs ein kleines Porträt über sie schreiben. Dieses landet mit einem Link zum Freischalten im E-Mail-Fach des „einsamen Herzens“.

So mancher Senior, so manche Seniorin, fällt dann offenbar erst einmal aus allen Wolken – vor Überraschung und Rührung. „Mich haben der Vorstoß meines Sohnes und die Zeilen, mit denen er mich beschrieben hat, tief bewegt“, postet eine Mutter. „Er ist ja erst 19, geht zur Uni und hat eigentlich keine Zeit. Die Lektüre war fast wertvoller als jede neue Liebe.“

Romantische Visitenkarte

Über tausend Töchter und Söhne haben seit Dezember ihre Eltern mit allen Vorzügen ins beste Licht gerückt. Auch bei den nächsten Schritten müssen die Kinder ihnen helfen. Das Portal ist übersichtlicher und besser kontrolliert als andere Online-Kontaktbörsen. So wird etwa jede romantische Visitenkarte von den Betreibern genau überprüft.

Dass sie von modernen Dating-Regeln nicht viel wissen, ist für Senioren ein Problem. Ihre Kinder wachen darüber, dass sie keine persönlichen Adressen preisgeben oder in andere Internet-Fallen tappen.

Auch bei Zwischenmenschlichem soll der Nachwuchs den Älteren, wenn nötig, zu einem "Update" verhelfen. „Dem Gentleman in den Siebzigern muss womöglich vorsichtig erklärt werden, wo die Grenze zwischen Ritterlichkeit und Chauvinismus heute verläuft“, heißt es auf der Seite diplomatisch. Damen reiferen Semesters wird nahegelegt, nicht gleich ihre ganze Lebensgeschichte auszuplaudern, sondern dem Gegenüber höfliche, interessierte Fragen zu stellen.

Charme der alten Schule ins neue Jahrtausend retten

Seine eigene Mutter hat Plattform-Gründer Matt Connolly zu dem Angebot inspiriert. „Sie wollte wissen, wie und wo man heutzutage den Prinzen auf dem weißen Pferd finden kann“, erzählt er. „Und nach langer Suche in verschiedenen Kontakt-Börsen hätte ich ihr keine einzige davon empfehlen wollen.“ Schwer zu navigieren, zu schlüpfrig, zu jung – so lautete sein Urteil.

MyLovelyParent.com soll nun den Charme der alten Schule ins neue Jahrtausend hinüber retten. Dass Kinder dabei ihre Eltern liebenswürdig vorstellen, schenkt ihnen offenbar das nötige Quäntchen Selbstbewusstsein, um sich endlich einen Ruck Richtung Abenteuer geben. Im Idealfall springt der Funke über und das Onlineknistern kann persönlich in einem echten Café fortgesetzt werden. Ohne Kinder natürlich. Aber, liebe Mamis, Omis und Tanten: Bitte schön vorsichtig sein! Und anrufen! Damit wir uns nicht die ganze Zeit um Euch machen müssen. Ihr wisst ja, wie das ist.