Deutsche essen in ihrem Leben durchschnittlich 1094 Tiere
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Berlin. . Jeder Deutsche „verbraucht“ in seinem Leben im Schnitt 1094 Tiere. Zu diesem Ergebnis kommt der Fleischatlas, den die Heinrich-Böll-Stiftung in Zusammenarbeit mit Le Monde Diplomatique und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) herausgibt. Das sind die Folgen für Mensch und Umwelt.
Wer isst am meisten Fleisch in Deutschland? Männer in Thüringen. Zu Hause verzehren sie durchschnittlich etwa 100 Gramm Wurst und Fleisch pro Tag. Hinzu kommt der Konsum erstaunlicher Mengen an Rostbratwurst und des in Thüringen als „Brätel“ bekannten Schweinekoteletts in Restaurants und Imbissen. Hochgerechnet auf das Jahr summiert sich der Verzehr so auf durchschnittlich 60 Kilo pro Kopf. Diese und andere interessante Zahlen stehen im sogenannten Fleischatlas, den der Umweltverband BUND und die Böll-Stiftung der Grünen am Donnerstag vorgestellt haben.
Den Herausgebern geht es darum, die Auswirkungen des Fleischkonsums zu thematisieren, den sich die Einwohner der Industriestaaten leisten. Zu den negativen Folgen dieser speziellen Ernährungsform gehören beispielsweise der erhöhte Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid und die zunehmende Entwaldung in Russland, Südamerika, Afrika und Südostasien. Vor der Ernährungsmesse Grüne Woche, die am kommenden Freitag in Berlin beginnt, fordern BUND und Böll-Stiftung deshalb, die Subventionen für die konventionelle, industrielle Fleischproduktion einzuschränken.
Die Tierfabriken Europas
Der durchschnittliche Deutsche verbraucht im Laufe seines Lebens eindrucksvolle Quantitäten Fleisch. Beispielsweise vier Rinder, 46 Schweine und fast tausend Hühner werden geschlachtet, damit immer Schnitzel und Bratwürste auf die Teller kommen. Ohne die industrielle Produktion in den Tierfabriken Europas wäre das nicht möglich.
Diese stehen etwa in Niedersachsen, den Niederlanden, Dänemark, der italienischen Po-Ebene, der französischen Bretagne und Südengland – immer in der Nähe des Meeres, damit das Fleisch billig mit Schiffen abtransportiert und auch exportiert werden kann. Die Errichtung riesiger Ställe hat Folgen für die Umwelt, etwa die Belastung des Bodens. Etwa in der Weser-Ems-Region sei das Grundwasser kaum noch als Trinkwasser nutzbar, sagte BUND-Chef Hubert Weiger.
Um die Produktion zu ermöglichen, liefern die Entwicklungs- und Schwellenländer große Mengen Sojabohnen und andere Futtermittel. Der Atlas zeigt, welchen Umfang dieser Handel inzwischen angenommen hat.
Ein Zehntel Deutschlands
In Südamerika, Afrika und Asien sind insgesamt über 30 Millionen Hektar Ackerland dafür reserviert, den europäischen Fleischkonsum zu speisen. Zum Vergleich: Das entspricht knapp einem Zehntel der Fläche Deutschlands. Solche Gebiete stehen für die Versorgung der einheimischen Bevölkerung ärmerer Staaten mit Grundnahrungsmitteln nicht mehr zur Verfügung.
Eine zusätzliche Folge ist, dass ökologisch wichtige Wälder abgeholzt werden, um Platz für die Futtermittel-Äcker zu schaffen. In Mittelamerika, Brasilien, Afrika südlich der Sahara und Südostasien ist dieser Prozess besonders zu beobachten.
Weitere Probleme kommen hinzu: Einen (rechnerischen) Ausstoß von zwei Tonnen CO2 verursacht der deutsche Durchschnittsverbraucher jährlich mit seiner fleischlastigen Ernährung – durch Tierhaltung und Fleischproduktion. BUND-Chef Weiger wies darauf hin, dass auch die medizinische Sicherheit in Europa allmählich in Gefahr gerate. Antibiotika, die den Tieren permanent verabreicht werden, rufen Resistenzen beim Menschen hervor und erschweren die Behandlung von Krankheiten.
1,5 Millionen Vegetarier
Böll-Vorsitzende Barbara Unmüßig forderte Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) daher auf, sie solle sich für die „Streichung der Subventionen für die intensive Fleischproduktion“ einsetzen. Im Rahmen der laufenden EU-Agrarreform müsse „die Vergabe der 60 Milliarden Euro Unterstützung an strenge Umwelt- und Tierschutzauflagen“ gebunden werden, so Weiger.
Von solchen politischen Strategien abgesehen, sind aber auch andere Varianten möglich, wie der Atlas zeigt. Etwa 1,5 Millionen Deutsche bezeichnen sich als Vegetarier und verzichten auf den Verzehr von Fleisch. Und vier Prozent des Rindfleisches stammten 2010 aus biologischer Herstellung, für deren bessere Qualität die Verbraucher höhere Preise zu zahlen bereit waren. Bei Eiern waren es immerhin neun Prozent.
Zahlen und Fakten
Der größte Geflügelschlachthof Europas steht laut Report in Wietze (Niedersachsen). Dort werden 27 000 Tiere pro Stunde oder 135 Millionen pro Jahr geschlachtet.Zur Herstellung von einem Kilogramm Fleisch werden dem Report zufolge 15 455 Liter Wasser benötigt.
Schätzungen zufolge setzen deutsche Fleischproduzenten zwischen 100 und 150 Milligramm Antibiotika ein, um ein Kilogramm Fleisch zu produzieren. Mit dem Welthandel könnten resistente Keime leicht jede Grenze überwinden.
Der Weltagrar-Rat – angesiedelt bei der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) – schätzt, dass die Nutztierhaltung heute 70 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen weltweit beansprucht. Die Rechnung für Deutschland falle noch drastischer aus. Die Hälfte der 12 Millionen Hektar Agrarflächen seien für die Futtermittelerzeugung reserviert. Immer noch zu wenig, um den Bedarf zu decken.
Großer Döner-Test
1/10
Die zehn größten deutschen Fleischkonzerne haben 2011 über 18 Milliarden Euro umgesetzt. Die Industrie zähle zu den lukrativsten Zweigen der Landwirtschaft.
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