Hannover. Nach dem vorläufigen Aus für die Studie über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche tobt der Streit um die Verantwortung fürs Scheitern des Projekts. Die katholische Kirche wehrt sich juristisch gegen die Zensur-Vorwürfe von Kriminologe Christian Pfeiffer. Der erneuerte seine Kritik.

Nach der Aufkündigung einer Missbrauchsstudie geht die katholische Kirche juristisch gegen Zensurvorwürfe des Kriminologen Christian Pfeiffer vor. Er habe von der Kirche eine Unterlassungserklärung erhalten, sagte der Direktor des ursprünglich mit der Studie beauftragten Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) am Donnerstag in Hannover. Pfeiffer sah zunächst keinen Anlass von seiner Position abzurücken, wollte sich aber noch juristisch beraten.

Zunächst bekräftigte Pfeiffer seine Kritik erneut: "Es hat den Versuch der Zensur unserer Arbeit gegeben", sagte der KFN-Leiter. Vertreter der Erzdiözese München und Freising hätten über die Arbeit und die Texte seines Instituts und die Auswahl der Mitarbeiter bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs durch kirchliche Mitarbeiter entscheiden wollen.

"Keinerlei Anhaltspunkte für Aktenvernichtungen"

Einspruch kam vom Sekretär der Bischofskonferenz, Hans Langendörfer. Von Kontrolle und Zensur sei in den Verträgen nie die Rede gewesen, sagte er im Deutschlandfunk. Angebliche Vertuschungen in der katholischen Kirche nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals, über die Pfeiffer am Mittwoch gemutmaßt hatte, wies er vehement zurück. "Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für Aktenvernichtungen im kirchlichen Bereich", sagte er. "Wir sind dem nachgegangen", beteuerte er.

Das KFN sollte in einem Forschungsprojekt die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche wissenschaftlich bewerten. Nachdem Institutschef Pfeiffer öffentlich eine zu starke Einflussnahme der Kirche kritisiert hatte, erklärte die Bischofskonferenz am Mittwoch das Ende der Zusammenarbeit. Als Hauptursache nannte sie das "zerrüttete" Verhältnis zu Pfeiffer.

Streit um Tonbandprotokolle

Langendörfer erklärte darüber hinaus, dass offenbar auch unterschiedliche Vorstellungen beim Datenschutz zu dem Ende der Kooperation beigetragen haben. "Wir hatten den Eindruck, dass es nicht gut ist, dass Tonbandprotokolle so zugänglich sind, wie Herr Pfeiffer sich das vorstellt", sagte er. Es handele sich hierbei um "delikate persönlichkeitsbezogene Daten", die mit größter Vorsicht behandelt werden müssten.

Pfeiffer fühlte sich derweil durch die starre Haltung der Kirche zu wenig in seiner Arbeit unterstützt. Über die Begründung für die Kündigung der Zusammenarbeit zeigte er sich verblüfft. "Mich verwundert der Vorwurf des Vertrauensverlustes ebenso wie die Behauptung, wir hätten keine Einigung über den Datenschutz finden können", sagte Pfeiffer. "Da werden Nebelkerzen geworfen." Es werde wohl nach Vorwänden für den Stopp des Missbrauchsgutachtens gesucht.

Justizministerin lobt Pfeiffer

Unterstützung bekommt er von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Die Reaktionen der Bischöfe auf die Vorwürfe des wissenschaftlichen Leiters erweckten den Eindruck, dass man nicht alles unabhängig aufklären wolle, sagte sie im Deutschlandfunk.

Die Argumentation der Kirche, dass die Vorstellungen über den Datenschutz zu unterschiedlich gewesen seien, hält sie für unglaubwürdig. "Ich kann das nicht nachvollziehen", sagte sie. Auch bei der Aufarbeitung anderer Ereignisse in Deutschland sei das Thema nie ein größeres Problem gewesen. Den Kriminologen Pfeiffer und sein Institut halte sie zudem für eine der "ersten Adressen in Deutschland".

Experte der Bundesregierung bedauert Aus für Studie

Mit Johannes-Wilhelm Rörig meldete sich nun auch der zuständige Experte der Bundesregierung zu Wort. Er bedauere, dass das Forschungsprojekt nicht fortgeführt werde, sagte der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs im ZDF-"Morgenmagazin".

Die Ergebnisse der Studie, der er ein gutes Forschungsdesign bescheinigt, seien mit Spannung erwartet worden. "Es wäre ein ganz wichtiger Baustein im Bereich der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in Deutschland gewesen", betonte Rörig, der am Donnerstag in Berlin den Startschuss für die bundesweite Kampagne "Kein Raum für Missbrauch" gab. (dpa/dapd)