London. BBC-Generaldirektor George Entwistle ist zurückgetreten. Der Chef des altehrwürdigen britischen Senders zog damit die Konsequenzen aus einer für die BBC hochnotpeinlichen Affäre. In der renommierten Sendung “Newsnight“ wurde einem Politiker Kindesmissbrauch vorgeworfen - zu Unrecht.
Paukenschlag bei Großbritanniens ehrwürdiger BBC: Generaldirektor George Entwistle hat am Samstagabend seinen Rücktritt erklärt und damit Konsequenzen aus einem schwelenden Skandal um falschen Umgang mit dem Thema Kindesmissbrauch gezogen. Der Sender hatte Anfang November eine Sendung ausgestrahlt, in der ein Politiker der britischen Konservativen fälschlicherweise des Kindesmissbrauchs beschuldigt wurde.
Er habe sich mit seinem Rücktritt für einen "ehrenvollen" Schritt entschieden, erklärte Entwistle in einer kurzen Stellungnahme vor der BBC-Zentrale in London. "Aber nach den gänzlich ungewöhnlichen Ereignisse der vergangenen Woche bin ich zur Erkenntnis gelangt, dass die BBC einen anderen Direktor berufen sollte." Entwistle war erst vor acht Wochen zum Generaldirektor der BBC ernannt worden. Der Chef des BBC-Weltdienstes, Tim Davie, übernimmt nun die Leitung des Senders, bis ein Nachfolger für Entwistle gefunden ist.
Mutmaßliches Missbrauchs-Opfer bezichtigte Politiker in "Newsnight"
In der BBC-Sendung "Newsnight" hatte ein mutmaßliches Opfer von Kindesmissbrauch angegeben, es sei von einem bekannten Mitglied der konservativen Partei missbraucht worden. Zwar wurde der Name des Politikers in dem Beitrag, der sich um mutmaßliche Missbrauchsfälle in Wales in den 1970er und 1980er Jahren drehte, nicht genannt. Im Internet kursierten aber später Gerüchte, die sich auf einen bestimmten Politiker konzentrierten.
Dieser wies den Vorwurf am Freitag entschieden zurück und drohte mit einer Klage. Der in "Newsnight" zitierte Zeuge räumte daraufhin ein, dass er sich bei der Identität seines Peinigers geirrt habe und entschuldigte sich wie auch die BBC bei dem Politiker.
Entwistle auch wegen des Savile-Skandals unter Druck
Schon im Oktober hatte die BBC einräumen müssen, dass ihr früherer Kinderprogramm-Moderator Jimmy Savile Kinder missbraucht hatte. Savile ist vergangenes Jahr gestorben, war aber offensichtlich bis nach seinem Tod durch den BBC gedeckt worden. Auch der Fall hatte für viele Schlagzeilen gesorgt, die Polizei ermittelt.
Auch interessant
Der Rücktritt Entwistles stieß in Großbritannien auf Respekt. Er sei "schade, aber die richtige Entscheidung", sagte Maria Miller, die Ministerin für Kultur, Medien und Sport, in der Nacht zum Sonntag. Chris Patten, Ombudsmann der BBC, nannte den Samstag "einen der traurigsten Abende in meinem öffentlichen Leben". Er lobte "Ehre und Mut", die Entwistle bewiesen habe. John Whittingdale, Vorsitzender des für die BBC zuständigen Parlamentsausschusses für Medien, sagte, "was in den letzten Tagen passiert ist, hat seine (Entwistles) Autorität und Glaubwürdigkeit immens geschmälert". Unter den Umständen wäre es für Entwistle sehr schwer gewesen, weiterzumachen.
"Wir hätten nicht einen Film zeigen sollen, der so fundamental falsch gewesen ist"
Bereits am Samstagmorgen hatte Entwistle sich nach der Ausstrahlung des umstrittenen TV-Beitrags entschuldigt und von einem Fehler gesprochen. "Wir hätten nicht einen Film zeigen sollen, der so fundamental falsch gewesen ist. Was hier passiert ist, ist völlig inakzeptabel", sagte er im BBC-Radio. Entwistle räumte ein, dass der "Newsnight"-Beitrag dem Vertrauen in die BBC geschadet habe. Vor der Ausstrahlung habe er keine Kenntnis von der umstrittenen Sendung gehabt. Rückblickend hätte er sich gewünscht, dass man sich in der Angelegenheit an ihn gewandt hätte.
Ministerin Miller sagte nun, "es ist unerlässlich, Glaubwürdigkeit und öffentliches Vertrauen in diese wichtige nationale Institution wiederherzustellen". Dabei sei entscheidend, dass die BBC durch ihre interne Organisation sicherstelle, ein erstklassiges Nachrichtenprogramm zu liefern. Die BBC sendet seit 1922. (dapd)