Berlin. Der Hauptverdächtige der tödlichen Attacke am Berliner Alexanderplatz , Onur U., will sich in den nächsten Tagen den deutschen Behörden stellen. Laut Bild-Zeitung hält sich Onur U. derzeit in der Türkei auf. Er weist die Schuld am Tod des Opfers zurück. Die anderen Täter belasten ihn aber schwer.
Die tödliche Prügelattacke am Berliner Alexanderplatz, der vor knapp zwei Wochen ein 20-Jähriger zum Opfer fiel, könnte womöglich schon bald aufgeklärt werden. Der von der Polizei gesuchte Hauptverdächtige Onur U., der sich in der Türkei aufhält, kündigte an, sich in den nächsten Tagen den deutschen Behörden stellen zu wollen. Am Sonntag hatten mehrere hundert Berliner in einer Trauerfeier in Charlottenburg von dem Opfer, Jonny K., Abschied genommen. Daran nahm auch Berlins Regierender Bürgermeister, Klaus Wowereit (SPD), teil. Der frühere Berliner Weltklasseboxer Oktay Urkal zeigte sich entsetzt über die seinem Neffen U. vorgeworfene Tat.
Der Amateurboxer steht im Verdacht, mit mehreren jungen Männern in der Nacht zum 14. Oktober auf dem Alexanderplatz zwei Jugendliche angegriffen und einen von ihnen, K., bewusstlos geprügelt zu haben. Einen Tag später erlag der 20-Jährige seinen schweren Verletzungen. In der "Bild"-Zeitung räumte U. seine Teilnahme an der Prügelattacke ein. Er habe aber nicht Jonny K., sondern den anderen Jugendlichen mit Fäusten geschlagen.
"Die haben sich abgesprochen, wollen mir die Schuld geben"
"Von dem, der am Boden lag, habe ich nichts mitbekommen. Ich würde nie einen treten, der am Boden liegt. Das ist eine Frage der Ehre für mich", sagte er dem Blatt, das ihn in der Nähe von Ismir aufgespürt hat. Doch die anderen Täter belasten ihn schwer. Dazu Onur U.: "Die haben sich doch abgesprochen, die wollen mir die Schuld geben, um von sich abzulenken."
Die Ermittler gingen davon aus, dass Onur U. sich nach der Tat in die Türkei abgesetzt hat. Dazu sagte der Beschuldigte der "Bild"-Zeitung: "Das stimmt nicht. Ich bin nicht geflohen. Mein Vater hatte hier einen Termin wegen eines Grundstücks. Ich wollte ihn nicht allein fahren lassen. Ich komme nächste Woche nach Deutschland zurück, werde mich meiner Verantwortung stellen."
Die Polizei fahndet derzeit noch nach drei weiteren mutmaßlichen Tätern, die namentlich bekannt sein sollen. Ein 19-Jähriger sitzt unter Tatverdacht in Untersuchungshaft. Wegen der Freilassung von zwei Verdächtigen im Alter von 19 und 21 Jahren hingegen gibt es heftige Kritik an den Justizbehörden.
Zwei Tatverdächtige von Haftrichter freigelassen
Die beiden jungen Männer, die sich selbst bei der Mordkommission gestellt hatten, waren am Donnerstagabend vom Haftrichter wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Zwar war gegen einen 21-Jährigen wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge Haftbefehl erlassen worden, er wurde jedoch wegen seines Geständnisses und seiner sozialen und familiären Bindungen freigelassen.
Der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Detlef Herrmann, nannte die Freilassung einen "Schlag ins Gesicht" der Ermittler. Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde gegen die Entscheidung des Haftrichters ein. Die Polizei fahndet derzeit noch nach drei weiteren Tatverdächtigen, die namentlich bekannt sein sollen.
Der mutmaßliche Haupttäter U. ist für die Berliner Justiz kein Unbekannter. Nach einem "Spiegel"-Bericht hatte das Amtsgericht Tiergarten ihn bereits im September 2010 wegen Körperverletzung verurteilt. Der Jugendrichter beließ es jedoch bei einer Weisung. Im Mai des Folgejahres stand er erneut vor Gericht - wegen Besitzes eines Butterfly-Messers. Im August 2011 stand er wegen Körperverletzung wieder vor Gericht. Nach RBB-Informationen hat U. erst kürzlich an einem Anti-Gewalt-Training teilgenommen - offenbar mit mäßigem Erfolg.
Weltklasseboxer Urkal : "Ich habe Tränen in den Augen"
Der frühere Berliner Weltklasseboxer Oktay Urkal zeigt sich unterdessen entsetzt über die Gewalttat, die sein Neffe Onur U. begangen haben soll. Urkal, der in Berlin-Neukölln aufwuchs und seit drei Jahren in Hamburg lebt, sagte der "Berliner Morgenpost" (Montagausgabe): "Es ist entsetzlich, ich habe Tränen in den Augen. Was mein Neffe getan hat, ist das Schlimmste, was einem Menschen angetan werden kann. Anstatt sich zu verstecken, sollte er sich sofort stellen, wie ein Mann."
Er habe selbst Kinder, sagte Urkal. Es sei unvorstellbar, wenn ihnen so etwas wie Jonny K. passieren würde. Urkal hat nach eigenen Angaben keinen Kontakt mehr zu seinen Berliner Angehörigen. Er wisse auch nicht, wo in der Türkei sich Onur aufhalten könnte. (dapd)