Kaarst. . Die Frauen von heute tragen gerne Shape-BHs: Sie mögen die gepolsterten Modelle und zaubern sich so einfach die Oberweite, die sie gerne hätten. Das kann heute 80B sein und morgen 80C. Manche BH-Modelle sind so stark gepolstert, dass man glauben kann, nichts anderes passe mehr ins Körbchen hinein.

Es waren die 90er, als es auf den Straßen von England schepperte und krachte. Auslöser der Unfälle war ein Stück Stoff. Oder besser gesagt eine Plakat-Aktion dazu. Top-Model Eva Herzigová war darauf zu sehen, sie trug nicht mehr als einen schwarzen Wonderbra. Für Männer war dieser Anblick wesentlich interessanter als eine Ampel oder ein Verkehrsschild. Die Folge: Ganz schön viel Blechschaden für ein wenig hübsche Aussicht. Der BH – seit es ihn gibt, sorgt er für Unruhe.

Dabei sollte er doch eigentlich nur helfen. Als gleich zwei Frauen, die Dresdnerin Christine Hardt und die Französin Herminie Cadello, im Jahr 1889 Patente auf Vorgänger der heutigen BHs anmeldeten, da waren sie vom Wunsch nach Bewegungsfreiheit getrieben. Sie wollten raus aus diesen engen, geradezu altertümlichen Korsetts und rein in ein Kleidungsstück, das nicht einzwängt und den Brüsten trotzdem Halt gibt. Es war der Beginn einer völlig neuen Form von Unterstützung für die Damenfigur. Der BH, er hebe hoch!

Frauen modellieren sich ihren Wunschbusen

Die Ansprüche sind gestiegen. Auch die BHs von heute sollen die Brüste halten, aber sie sollen noch viel mehr. Sie sollen etwas herbeischummeln, das gar nicht da ist, also Proportionen schaffen, die sich Frauen wünschen und nicht haben. Für eine Silhouette, die zu schön ist um wahr zu sein.

So finden Frauen den passenden BH

Der BH – für jede Brust gibt es das passende Modell. Auf was man beim Kauf achten muss, erklärt Petra CampPetra Camp, Produktmanagerin beim Wäschehersteller Triumph.

Wie finde ich einen BH, der wirklich passt?

Laut Statistik trägt jede zweite Frau eine falsche Größe. Die richtige Größe können Mitarbeiterinnen in Fachgeschäften ausmessen. Allerdings hängt vieles auch vom Schnitt ab. Nicht jede BH-Form passt jeder Frau.

Welches sind die häufigsten Fehler beim Wäschekauf?

Oft wird zu klein gekauft. 75B galt lange als Durchschnittsgröße in Deutschland, viele Frauen greifen deswegen automatisch zu. Inzwischen liegt die Durchschnittsgröße in Deutschland bei 80C. Wichtig ist, dass die Größe regelmäßig nachgemessen wird, denn die Brust kann sich zum Beispiel durch Gewichtsverlust oder nach Schwangerschaften verändern.

Wie kann ich testen, ob der BH richtig sitzt?

Die Bügel müssen die Brüste richtig umschließen, sie dürfen nicht eindrücken, das Rückenteil sollte gerade sitzen. Am Rücken darf der BH nicht nach oben gezogen werden, seine Träger sollten an der Schulter nicht einschneiden. Entscheidend ist, dass eine Frau den BH nicht spürt.

Petra Steinheimer könnte stundenlang darüber philosophieren. Sie arbeitet als Geschäftsführerin bei der Dessous-Firma „Scandale“ in Kaarst und verfolgt die Entwicklungen seit Jahrzehnten. Sie sagt: „Der Trend geht zum Shapen: Also etwas dazumogeln oder auch wegmogeln.“ Wenn man sie so reden hört, bekommt man den Eindruck, dass Frauen sich heute ihren Wunsch-Busen einfach selbst modellieren.

Ein Segen für knabenhafte Körpertypen

Die Auswahl ist enorm. Manche BH-Modelle sind so stark gepolstert, dass man glauben kann, nichts anderes passe mehr in die Körbchen hinein. Man kann diese Busenformer als Segen für knabenhafte, androgyne Körpertypen feiern, weil die Frauen sich so weiblicher fühlen und selbstbewusst auch eng anliegende Oberteile tragen. Man könnte diese Entwicklung aber auch als Produktenttäuschung verurteilen. Da wird die gewünschte Oberweite einfach umgeschnallt und spätestens unter der Dusche sieht doch wieder alles so aus, wie es die Natur geschaffen hat – das ist dann nicht so prall. Petra Steinheimer stellt fest, dass viele, gerade junge Frauen die Möglichkeiten trotzdem gerne nutzen: „Sie sind in einer sexy Welt aufgewachsen und möchten so aussehen wie die Models.“

Mit Eva „Miss Wonderbra“ Herzigová und ihren Push-up-BHs ging der Trend Mitte der 90er los, verstärkt wurde er durch die Super-Push-ups, die noch vollere Brüste zaubern und – das ist ganz neu – durch Schaumstoffkissen, die je nach Bedarf und Stimmung ausgewählt und in die Körbchen gelegt werden. Da kann man heute fürs Büro 80B wählen, morgen für die Disco 80C und das Ganze fortsetzen bis hin zu Maßen, die im Film keine Jugendfreigabe bekämen.

Orange und gelb kommen nicht an

Trotz dieser Entwicklungen ist der Aufbau der BHs ähnlich geblieben: zwei Schulterträger oben und hinten ein Hakenverschluss. Die Veränderungen finden ausschließlich vorne, in den Körbchen, statt.

Es gibt aber auch weiterhin Modelle im klassischen Design. Büstenhalter mit Bügeln oder ohne, aus zartem Stoff und Spitze, Sport-BHs und Balconette-BHs, die die Brüste bei tiefen Ausschnitten in Szene setzen. Was für alle Formen gilt: „Die Farbauswahl wird größer“, sagt Petra Steinheimer. Früher war der BH weiß oder schwarz. Jetzt gibt es braun, dunkelrot, petrol und creme, tannengrün und taupe. Gelb und orange kommen dagegen partout nicht bei der Kundin an. Selbst einem Wunderding wie dem BH sind also Grenzen gesetzt.