Roswell. . Der österreichische Extremsportler Felix Baumgartner hat nach mehreren vom Wetter durchkreuzten Anläufen als erster Mensch im freien Fall wahrscheinlich die Schallmauer durchbrochen - nach 4 Minuten in 19 Sekunden im freien Fall. Es war ein Moment von der Qualität der ersten Mondlandung.
Himmelabfahrtskommando im dritten Anlauf geglückt: Als erster Mensch hat der Österreicher Felix Baumgartner im freien Fall wahrscheinlich die Schallmauer durchbrochen.
Ohne den Schutz eines Cockpits, nur mit einem dünnen Spezialanzug bekleidet, hat der 43-Jährige in Roswell im US-Bundesstaat New Mexiko einen Sprung aus rund 39 Kilometer Höhe auf die Erde überlebt.
Ein gewaltiger Heliumballon, höher als die Freiheitsstatue in New York, hatte die fast eine Tonne schwere Spezialkapsel mit dem „furchtlosen Felix“ in die Stratosphäre gehievt. Bei dem insgesamt knapp 15-minütigen Flug erreichte Baumgartner die Höchstgeschwindigkeit von 1173 Stundenkilometern. Ob er die Schallmauer tatsächlich durchbrochen hat, soll die Auswertung spezieller Messungen in den nächsten Tagen ergeben.
Baumgartner nach Sprung aus Stratosphäre sicher gelandet
Die nach unten dichter werdende Erdatmosphäre stoppte den von US-Medien „daredevil“ (Teufelskerl) getauften Extremsportler auf 220 km/h ab, bevor sich rund 2000 Meter über der Erdoberfläche planmäßig der Fallschirm öffnete.
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Nach der Landung sank Baumgartner überglücklich auf die Knie und riss die Hände zum Himmel. Kameraleute und Betreuer waren binnen weniger Augenblicke zur Stelle.
Im Kontrollzentrum fiel Baumgartners Mutter Eva, Vater Felix, Bruder Gerald und Lebenspartnerin Niki ein Stein vom Herzen. Sie hatten zuvor eine „Achterbahn der Gefühle“ erlebt und, wie Vater Felix sagte, „gebetet und die Daumen wund gedrückt“. Baumgartners historische Leistung fiel auf den 65. Jahrestag des ersten erfolgreichen Versuchs, mit einem Flugzeug die Schallmauer zu knacken. 1947 saß dabei US-Luftwaffenpilot Chuck Yeager im Cockpit.
Das Unternehmen soll über 50 Millionen Euro gekostet haben
Für den durchtrainierten Berufsabenteurer aus Salzburg bedeutet die erfolgreiche Landung mehrere Einträge in den Rekordbüchern der Luftfahrtgeschichte: für den höchsten Fallschirmsprung und den höchsten bemannten Ballonflug. Weitere Rekordmarken könnten folgen.
Der gelernte Auto-Mechaniker hatte sich fünf Jahre lang mit finanzieller Unterstützung eines Energy-Drink-Herstellers, der sich davon eine anhaltende Beflügelung seines Geschäft verspricht, und eines 30-köpfigen Experten-Team aus der Luft- und Raumfahrtindustrie akribisch vorbereitet. Das Unternehmen soll über 50 Millionen Euro gekostet haben. Der Werbe-Effekt für die Firma wird von Marketing-Experten auf ein Vielfaches geschätzt.
Joe Kittinger war die wichtigste Figur im Betreuerteam am Boden
Weltweit verfolgten Millionen Menschen via Live-Stream im Internet oder Fernsehen den über zweistündigen Aufstieg des Ballons und hörten die per Funk übertragenen Gespräche zwischen Baumgartner und Joe Kittinger. Der ehemalige Oberst der US-Airforce, 84 Jahre alt, war die wichtigste Figur im Betreuerteam am Boden. Er hatte vor 52 Jahren ein ähnliches Experiment aus 31 Kilometer Höhe unternommen und war dabei nur durch glückliche Umstände dem Tod entronnen. In Höhen oberhalb von 20 Kilometern ist der Luftdruck so gering ist, dass Körperflüssigkeiten verdampfen und sich Gasblasen im Blut bilden. Kittinger hält mit 4 Minuten 36 Sekunden weiter den Rekord des längsten freien Falls.
Ein Moment von der Qualität der ersten Mondlandung
Mehrere an der 1300 Kilogramm schweren Kapsel angebrachte Kameras hielten den atemberaubenden Moment für die Ewigkeit fest, als Baumgartner nach zwei Stunden und 36 Minuten Aufstieg in rund 39 000 Meter Höhe die Versorgungsleitungen trennte, die Kapsel öffnete und nach letzten Kontroll-Checks auf ein kleine Plattform trat. Ein Moment von der Qualität der ersten Mondlandung, nicht nur für jüngere Zuschauer. Deutlich war sein schwerer Atem zu hören. „Ein Schutzengel wird Dich begleiten", sagte Bodencrew-Chef Kittinger. Baumgartner sprach einige Abschiedsworte, salutierte und ließ sich in die Tiefe fallen. Binnen weniger Augenblicke erreichte er das Tempo eines menschgewordenen Mini-Jets. Nach bangen Momenten der Sprachlosigkeit meldet sich der Sturzflieger über Funk, der am Bildschirm nur als kleiner, weißer Punkt am blauen Himmel zu sehen war. „Sprich weiter, Felix, sprich weiter“, rief ein sichtlich erleichterter Kittinger. Nach 4 Minuten und 19 Sekunden öffnete sich der Fallschirm. Der Rest, sagte Baumgartner später, „war ab dann Routine“.
Baumgartners Rekordsprung
Baumgartner drohten erhebliche Gefahren. Temperaturen um minus 70 Grad, fehlender Sauerstoff und der enorme Luftdruck im Fall waren für Chef-Mediziner Jonathan Clarke vorher die größten Problempunkte. „Je nach Fluglage könnte der bisher unerforschte Druck Baumgartners Blut aus dem Gehirn drücken oder ihm sogar das Genick brechen“, sagten Raumfahrt-Mediziner. Für den Fall eines Unglücks hatten die Organisatoren einen Filter eingebaut; die Übertragung der Bilder geschah mit 20-sekündiger Verzögerung.
Baumgartner musste einen Psychologen in Anspruch nehmen
Bei der Planung war die klaustrophobische Enge des Raumanzugs das größte Hindernis, berichtete der stets kontrolliert wirkende Österreicher in Interviews. Baumgartner musste einen Psychologen in Anspruch nehmen, um die mentalen Blockaden zu überwinden. Neben der Angst vor einem Leck im Anzug beherrschte die Sorge vor den in dieser Höhe bisher gänzlich unerforschten Gegebenheiten und Auswirkungen auf den menschlichen Körper die Diskussion der Boden-Mannschaft. In 39 Kilometer Höhe bietet die Luft zudem so wenig Widerstand, dass Baumgartner, anders als Fallschirmspringer in geringeren Höhen, seine Flugposition streckenweise nicht aus eigener Kraft beeinflussen konnte. Es bestand die Gefahr von nicht mehr kontrollierbaren Trudel-Effekten. Baumgartner meisterte die Aufgabe mit Bravour.
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Felix Baumgartner ist kein Hasardeur oder lebensmüder Artist. Seit fast 20 Jahren sorgt der Luftsprung-Profi („Die Luft ist mein zweites Zuhause“) für Erstaunen, Hoffen und Bangen. Mal stürzte er sich von der Jesus-Statue in Rio de Janeiro, mal von den Petronas-Hochhäusern in Kuala Lumpur. Als erster Menschen überwand er mit einer Spezialkonstruktion auf dem Rücken im Gleitflug den Ärmelkanal. Er hat über 2600 Fallschirmsprünge hinter sich. An den „Sprung des Jahrhunderts“ hatte er sich durch Sturzflüge aus 21 und 30 Kilometer Höhe in diesem Jahr herangerobbt, es soll sein letzter gewesen sein. Jedenfalls vom Rand des Weltalls.