Stockholm. . Eine 14-jährige Schwedin verarbeitet mit einem Video ihre traumatischen Erlebnisse. Ihr Motiv: „Ich möchte, dass alle Mädchen in meinem Alter verstehen, dass sie trotzdem stark sein können“. Das Video auf Facebook hat inzwischen knapp 40 000 positive Bewertungen und über 800 solidarische Kommentare.

Das Video einer minderjährigen Schwedin mit dem Bekenntnis „Ich wurde vergewaltigt“ beschäftigt das Land. Am Abend des 21. August, einem Dienstag, wurde die 14-jährige Lovisa Nystrand in der südöstlich von Stockholm gelegenen Stadt Linköping auf einer Rasenanlage von einem Freund vergewaltigt. Lovisa ging noch am gleichen Abend zur Polizei und zeigte den 19-Jährigen an. „Was an jenem Abend geschah, war das Schlimmste, was mir in meinem Leben passiert ist“, sagt sie.

Doch im kleinen Linköping, wo jeder jeden kennt, wurde das Opfer zum vermeintlichen Täter. Denn Lovisa machte keinen Hehl aus dem, was ihr passierte. Schnell war über Twitter, Facebook und Pausenhof-Gespräche in der Schule für die ganze Stadt klar, wer ihr vermeintlicher Vergewaltiger war. Lovisas wurde bedroht. Ihr wurde vorgeworfen, sie stürze einen jungen Mann ins Unglück, würde sich nach dem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr nur rächen wollen, weil der beschuldigte 19-Jährige ihre Gefühle für ihn nicht erwidert habe.

Am 3. Oktober wurde der 19-Jährige vom Amtsgericht wegen Vergewaltigung zu zwei Jahren Haft verurteilt. In der Nacht vor der Urteilsverkündung spielte die 14-Jährige ein Video ein, das sie am Tag der Verurteilung auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht hatte. Dieses Video haben inzwischen fast alle Schweden gesehen.

Lovisa hält lediglich Tettelchen in die Luft

In dem Film sagt Lovisa kein Wort, sie lächelt aus ihrem Schlafzimmer heraus, mit viel Schminke im Gesicht, etwas unbeholfen in die Kamera ihres Handys. Und hält lediglich Zettelchen in die Luft. „Wie alles geschah…“, schreibt sie mit ihrer Handschrift über ein Video-Bearbeitungsprogramm an den Anfang des Videos. Dann folgen die Zettelchen. „Hallo“, steht auf dem ersten. Dann folgt: „Mein Name ist Lovisa. Ich bin 14 Jahre alt.“ Später: „Nur 14 Jahre und vier Monate.“

Nach kurzer Pause dann der nächste Zettel: „Ich habe etwas Schreckliches erlebt, worunter ich den Rest meines Lebens leide.“ Dabei guckt die 14-Jährige unbeirrt, ein wenig verschreckt, und irgendwie doch lächelnd – aus Unsicherheit. „Vor etwas mehr als einem Monat wurde ich“, fährt sie auf dem nächsten Blättchen fort: „vergewaltigt“. Das Papierstückchen mit diesem Wort verschwindet.

Wunderbare Freunde geben Stärke

Lovisa schaut zur Seite, fasst sich mit offener Angst an den Hals. „Ich erinnere mich: Ich weinte und blutete. Es ist das Schlimmste, was ich je erlebt habe“, kann man auf dem nächsten Zettelchen, das sie handschriftlich beschrieben hat, lesen. Sie schreibt von schlaflosen Nächten. „Eine Zeit lang war ich am Ende. Ich war zu schwach. Doch nun schaue ich nach vorne. Ich verstehe nicht, wie Mädchen so stark sein können, anzuzeigen… Ich wurde dafür gekränkt, bedroht, ausgeschimpft von Leuten... Aber wie halte ich das alles aus?...Jo! Weil ich meine wunderbaren Freunde habe“, schreibt sie.

40 000 positive Bewertungen

Ein handgemaltes Herzchen folgt auf dem letzten Blättchen. Das Video auf Facebook hat inzwischen knapp 40 000 positive Bewertungen und über 800 solidarische Kommentare. Darin geht es oft um den Täter. Dessen zweijährige Strafe sei ein Witz, heißt es. Er müsse lebenslänglich oder die Todesstrafe erhalten oder kastriert werden. Warum Lovisa sich so im Internet zeigt, erklärt sie der größten schwedischen Boulevardzeitung „Aftonbladet“. „Ich möchte, dass alle Mädchen in meinem Alter verstehen, dass sie trotzdem stark sein können“, sagt die 14-Jährige.