Rom. . Paolo Gabriele muss für anderthalb Jahre ins Gefängnis – und die Prozesskosten zahlen. So lautet das Urteil des Vatikanischen Gerichts in Rom für den ehemaligen Kammerdiener des Papstes. Der 46-jährige Familienvater wurde des Diebstahls für schuldig befunden. Vatikan-Kenner bleiben Zweifel.
Dem Kammerdiener des Papstes verdankt das Publikum die Originaldokumente zu vatikanischen Skandalen und Intrigen, die ansonsten – wie viele andere – auf der Gerüchteebene hängen geblieben wären. Aus den Akten, die Paolo Gabriele in den päpstlichen Büros entwendet, zweifach kopiert und (nur einem?) Journalisten zugespielt hat, ist im Mai das Buch „Seine Heiligkeit“ entstanden. Aber halt: Schreibt nicht der Autor Gianluigi Nuzzi von einer ganzen Gruppe von „Maulwürfen“, die „ihre Arbeit, ihre Existenz, ihren Seelenfrieden aufs Spiel gesetzt“ haben, um durch das Anprangern von Schurkereien dem Papst bei der „Reinigung“ im Kirchenstaat zu helfen?
Justiz war an kurzem Prozess interessiert
Verurteilt worden ist nach viertägigem Prozess am Samstag ein einziger: Paolo Gabriele, der 46-jährige Butler Benedikts XVI. Achtzehn Monate Haft hat er erhalten, lediglich die Hälfte dessen, was der Staatsanwalt beantragt hatte. Niemand sonst war angeklagt. Der Staatsanwalt sagte, Komplizen seien auszuschließen. Vatikansprecher Federico Lombardi versicherte indes, die Untersuchungen gingen weiter. Wie und in welchem Rahmen, das sagte er nicht. Für Gabrieles Hinterleute – dem Vernehmen nach hochgestellte oder dem Papst persönlich nahe stehende Personen – interessiert sich die vatikanische Justiz jedenfalls bisher nicht. Sie war an einem kurzen Prozess interessiert.
Gabriele machte es dem Gericht leicht. Er bezeichnete sich von Anfang an als Einzeltäter, der – „vom Heiligen Geist infiltriert“ – nur „aus tief sitzender Liebe zu Kirche und Papst gehandelt“ habe. Selbst Gabrieles Verteidigerin spielte die Einzeltäter-Version von Anfang bis Ende mit.
Das lässt viele Beobachter an einen Deal denken: Benedikts Butler „opfert“ sich, schweigt sich über seine Hinterleute aus, spiegelt edle Motive vor – und kommt mit jener milden Strafe davon, die er nicht einmal absitzen muss: Die Begnadigung durch den Papst gilt als eine „sehr konkrete und sehr wahrscheinliche Möglichkeit“, sagte Benedikts Pressesprecher sofort nach dem Urteil.
Lukrative Angebote von Talkshows abgelehnt
Die Richter konnten sich aus psychiatrischen Gutachten und Hausdurchsuchungs-Berichten die Persönlichkeit Gabrieles als eine etwas wirre zusammenpuzzeln: einfach gestrickt, aufgeblasen von der Würde des Amtes. Sollte im „appartamento“ des Papstes über sechs Jahre hinweg keiner gemerkt haben, wer da als Benedikts Butler eingestellt war?
Die Richter wollten es nicht so genau wissen. Wie Gabriele an den Journalisten Nuzzi geraten ist, ist weiterhin offen – genauso wie der Verbleib der Zweitkopien von hunderten wirklich geheimen Dokumenten. Nuzzi hat nur wenige und vergleichsweise harmlose Stücke veröffentlicht. Sind andere also noch im Umlauf? Gehört es zum Deal, dass Gabriele über sie schweigt? Dass er alle lukrativen Angebote von Talkshows und Buchverlagen ablehnt und dafür irgendeinen Arbeitsplatz bei der Kirche behält?
Während Gabriele den Gerichtssaal am Samstag mit einem Lächeln verließ, blieben bei sämtlichen Beobachtern nur Fragen und Unbehagen zurück. Aufgeklärt scheint eigentlich gar nichts. Oder hatte man sich zu viel erwartet? Vielleicht ist das Böse ja selbst im Vatikan viel banaler, als man immer denkt.