London/Paris. . Der Mord in den französischen Alpen, bei dem ein irakisch-stämmiger Brite, dessen Frau und Schwiegermutter starben, könnte von einem Schützen verübt worden sein. Alle 25 gefundenen Patronen stammen aus einer Waffe. Am Montag gab es auf dem Grundstück der Toten im englischen Claygate einen Bombenalarm.
Ein weiterer unruhiger Morgen für Anwohner in Claygate, denen der Schock über die Hinrichtung ihrer Nachbarn Saad und Iqbal Al-Hilli noch in den Knochen sitzt: Bombenexperten des Militärs haben gestern für mehrere Stunden die Straßen rund um das Anwesen der Toten evakuiert. Den Alarm hatten verdächtige Substanzen im Schuppen hinter dem Haus ausgelöst.
Um kurz nach 10 Uhr rückt ein Armee-Kommando zur Bombenentschärfung in die idyllischen, baumgesäumten Straßen von Claygate ein. Nach kurzer Beratung mit der Kripo, die seit Tagen das Haus nach Hinweisen in dem Mordfall durchkämmt, geht dann alles sehr schnell: Alle Zufahrten zur „Oaken Lane“ werden gesperrt, Nachbarn in sichere Zonen gebracht, Gassi-Gänger samt Hunden auf einem Quadratkilometer in Sicherheit gebracht.
In bangen Stunden prüfen die Bombenspezialisten den Geräteschuppen im Garten des erschossenen Familienvaters. Kurz nach Mittag kommt dann die Entwarnung: Die „Vorsichtsmaßnahme“ sei ohne Ergebnis verlaufen, so die Polizei von Surrey. Die fraglichen Substanzen seien ungefährlich. Der 50-jährige Saad Al-Hilli war in Claygate als enthusiastischer Heimwerker und hilfsbereiter Tüftler bekannt. Dass sein Sammelsurium an Materialien aus dem Baumarkt gleich Bombenspezialisten auf den Plan ruft, zeigt, als wie gefährlich die Ermittler diesen Fall mittlerweile einstufen.
Alle 25 Patronenhülsen stammen aus einer Waffe
Den Eindruck haben am Montag auch neue Ermittlungsergebnisse bestätigt: Die hingerichteten irakisch-stämmigen Briten wurden offenbar nicht von mehreren Tätern ermordet. Alle 25 am Tatort gefundenen Patronenhülsen stammen aus einer einzigen Faustfeuerwaffe – einer 7.65-Millimeter-Pistole älteren Jahrgangs. Die Suche konzentriert sich nun auf einen offensichtlich perfekt ausgebildeten Profikiller.
Saad Al-Hilli, seine Frau, Schwiegermutter und ein französischer Passant waren am Mittwoch an einer abgelegenen Straße in den französischen Alpen mit gezielten Kopfschüssen getötet worden. Nur die zwei Töchter der Familie haben das Massaker überlebt. Die jüngste Tochter ist mittlerweile in Begleitung von Betreuern des Jugendamtes zurück nach Großbritannien geflogen worden. Ihre drei Jahre ältere Schwester wird weiter wegen Schuss- und Schädelverletzungen in Frankreich behandelt.
Betrieb hat Tod des Mitarbeiters nicht kommentiert
Ob die zwei Kinder mit Bedacht vom Täter verschont wurden, ist unklar. Auch bei möglichen Motiven tappen die Ermittler noch im Dunkeln. In dieser Woche richtet sich der Fokus der französischen und britischen Kripo-Beamten allerdings auf eine Firma zur Satellitenkartierung, für die der Familienvater gearbeitet hat. Das Unternehmen in Surrey, nahe dem Anwesen von Al-Hilli, hat unter anderem geholfen, den ersten militärischen Überwachungssatelliten für das Königreich zu entwickeln. Den Tod des allseits beliebten Mitarbeiters hat der Betrieb bisher mit keinem Wort kommentiert.
Dessen sieben Jahre alte Tochter Zainabe ist die wichtigste, womöglich sogar die einzige Zeugin des Verbrechens im französischen Alpendorf Chevaline. Am Sonntagabend erwachte sie auf der Intensivstation des Grenobler Krankenhauses aus dem Koma. Jetzt hoffen die unter Hochdruck ermittelnden Fahnder, das Mädchen möglichst bald zum Hergang des Massakers befragen zu können. Doch der Staatsanwalt von Annecy dämpft allzu hohe Erwartungen: „Das Mädchen wird noch mit Schmerzmitteln behandelt und ist noch nicht vernehmungsfähig.“