Buenos Aires. . Der frühere argentinische Juntaführer Jorge Rafael Videla ist zu 50 Jahren Haft verurteilt worden. Der 84-Jährige wurde schuldig gesprochen, den systematischen Diebstahl der Babys von Gefangenen der von 1976 bis 1983 regierenden Militärjunta angeordnet zu haben. Er erhielt die Höchststrafe.

Im Prozess um den Raub von Kindern während der Militärdiktatur in Argentinien sind die beiden Ex-Diktatoren Jorge Videla und Reynaldo Bignone am Donnerstag zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Das Gericht in Buenos Aires verurteilte den 86-jährigen Videla zu 50 Jahren Haft, der 84-jährige Bignone erhielt eine Gefängnisstrafe von 15 Jahren. Beide sitzen jedoch bereits wegen Menschenrechtsverletzungen lebenslang in Haft.

Den Verurteilten wird vorgeworfen, Babys politischer Gegner zur Adoption an Regierungsanhänger gegeben zu haben. Mehrere Mitangeklagte erhielten wegen der Beteiligung am "systematischen Plan" zum Raub von Kindern Strafen von bis 40 Jahren Haft, wie Gerichtspräsidentin María Roqueta in dem vollbesetzten Saal des Tribunals in Buenos Aires erklärte.

35 Babys von regierungskritischen Frauen, die in einem Folterzentrum festgehalten wurden

Menschenrechtsaktivisten zufolge "verschwanden" während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 rund 30.000 Menschen, Schätzungen zufolge wurden während dieser Zeit auch insgesamt rund 500 Kinder geraubt, die in Haft von Oppositionellen zur Welt gebracht worden waren. In dem Prozess ging es um die Fälle von 35 Babys von regierungskritischen Frauen, die in einem Folterzentrum in Buenos Aires festgehalten und denen ihre Kinder weggenommen wurden.

Überlebende berichteten, dass die Frauen ihre Kinder gefesselt und mit verbundenen Augen zur Welt bringen mussten und nur wenige jemals das Gesicht ihrer Babys zu sehen bekamen. In den meisten Fällen wurden die Kinder an Soldaten weitergegeben, während die Mütter meist kurze Zeit nach der Geburt ermordet wurden. Viele von ihnen wurden lebend von Militärflugzeugen aus ins Meer geworfen.

Urteile nahmen viele Zuschauer mit Tränen und Freudenschreien auf

Die Gerichtsverhandlung wurde von hunderten Angehörigen von Opfern, Kindern von Oppositionellen und Menschenrechtsaktivisten über einen Bildschirm vor dem Gerichtsgebäude verfolgt. Die Urteile nahmen viele von ihnen mit Tränen und Freudenschreien auf, wie AFP-Journalisten berichteten.

Die argentinische Menschenrechtsorganisation Großmütter der Plaza de Mayo hatte bereits seit 1996 vor Gericht für Entschädigungen für die gestohlenen Kinder gekämpft. Organisationschefin Estela de Carlotto begrüßte die Urteile und erklärte, damit sei bestätigt worden, dass es einen "systematischen Plan gab, die Babys zu stehlen".

Seit dem Amtsantritt von Präsident Nestor Kirchner im Jahr 2003 hatte die Annullierung der Amnestiegesetze aus der Zeit der Diktatur die Wiederaufnahme von Prozessen gegen die Verantwortlichen erlaubt. Cristina Kirchner, die 2007 ihrem Mann an der Spitze des Staates nachfolgte, setzt diese Politik fort.

Videla verbüßt bereits eine lebenslange Haftstrafe

Videla regierte Argentinien von 1976 bis 1981, Bignone war von 1982 bis 1983 an der Macht. Videla hatte sich in der vergangenen Woche vor Gericht für seine Taten gerechtfertigt und erklärt, die Mütter der Kinder seien "Aktivistinnen einer Terrorismusmaschinerie" gewesen und hätten ihre Kinder als "menschliche Schutzschilde" missbraucht.

Videla verbüßt bereits wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit eine lebenslange Haftstrafe. Auch Bignone sitzt bereits in Haft - er war wegen der Verletzung von Menschenrechten zu lebenslanger Haft verurteilt worden.(afp/dapd)