Paris. Pierre Cardin hat den „New Look“ erfunden wie auch das „Prêt-à-porter“. Seine Karriere gleicht der aus einem Bilderbuch. Am heutigen Montag feiert er seinen 90. Geburtstag.
Pierre Cardin ist ein wahrer Tausendsassa: Schneider und Modeschöpfer, Visionär und Avantgardist, Marketinggenie und Geschäftsmann, Schlossherr und Kunstmäzen, Restaurantbesitzer und Hotelier. Der Miterfinder des „New Look“, „Prêt-à-porter“-Pionier und „König der Lizenzen“ begeht an diesem Montag seinen neunzigsten Geburtstag. Die lange Liste an Auszeichnungen reicht vom „Seidenbaron“ in Krefeld bis zum „Kommandeur der Ehrenlegion“ in Frankreich. Die wohl kostbarste: Als einziger Modeschöpfer der Republik gehört Monsieur Cardin der ehrenvollen Akademie der Schönen Künste an.
Bilderbuch-Karriere
Es ist eine Karriere wie aus dem Bilderbuch: Man schreibt den 2. Juli 1922, als Pietro Cardini in San Biagio di Callalta das Licht der Welt erblickt. Den jüngsten Sohn eines venezianischen Weinbauern und seine sechs Geschwister erwartet ein unspektakuläres Leben in ärmlichen Verhältnissen. Deshalb sagt die Familie Mussolini-Italien lieber Adieu und zieht nach Frankreich. So wird aus Cardini Cardin, aus Pietro Pierre. Der aufgeweckte Knabe lernt Herrenschneider in St. Etienne, um im schillernden Paris zum Modezar aufzusteigen.
„Mit 17 hatte ich die fixe Idee: Ich will nach Paris“, erzählt Cardin einmal der Illustrierten „Paris Match“. Doch die deutschen Besatzer hätten ihn an der Demarkationslinie barsch abgewiesen. Als die Hauptstadt im Herbst 1944 befreit ist, versucht er’s noch einmal. Mit Erfolg. Nach den tristen Jahren der Einschüchterung ist die Gier in der Modemetropole groß – nach Leben und schicken Kleidern. 1946 entwirft Cardin die ersten Kostüme – für Jean Cocteaus Kinoklassiker „Die Schöne und das Biest“. Dann fängt er bei Christian Dior an – und erfindet den „New Look“. 1950 gründet er sein eigenes Haute-Couture-Geschäft – und provoziert. Denn als erster „Couturier“ entwirft Cardin qualitative hochwertige Mode zu erschwinglichen Preisen. Seine Mode ist „bereit zum Tragen“, es ist die Geburtsstunde des „Prêt-à-porter“. Cardin revolutioniert die Herrenmode und beweist: Selbst erschwingliche Massenware kann komfortabel und elegant sein. Ein Raunen – halb entsetzt, halb fasziniert – geht durch die Branche. Entsetzt, weil er „Prêt-à-Porter“-Kollektionen für Kaufhäuser entwirft. Zur Strafe fliegt Cardin vorübergehend aus der Pariser Schneiderinnung.
Goldene Ära
Die goldene Ära des Pierre Cardin sind fraglos die sechziger und siebziger Jahre. Eine Epoche voller Optimismus – wie geschaffen für den Visionär, bei dem Bescheidenheit nicht gerade zu den hervorstechendsten Tugenden zählt. So nennt sich der Altmeister noch immer „der einzig Innovative der Welt“. Die Beatles tragen Cardin, ebenso John Steed & Emma Peel in „Schirm, Charme und Melone“. Cardin erfindet Anzüge im „Mao-Look“ und erobert 1978 die kommunistische Volksrepublik. Soldaten, Stewardessen und Polizisten im Riesenreich verpasst er eine schicke Dienstkleidung. Die Welt überspannt er mit Lizenzunternehmen. Auch abseits des Laufstegs hat Cardin Erfolg. 1981 kauft er das Luxus-Restaurant „Maxim’s“ in Paris und eröffnet Filialen in Peking, Moskau und New York.
„Ich weiß, dass ich in einigen Jahren nicht mehr da sein werde“, gesteht der Modezar letztes Jahr der Zeitung „Le Monde“. Am liebsten möchte er sein Imperium deshalb rechtzeitig verkaufen – unbescheiden wie er ist verlangt er eine Milliarde Euro. Für Branchenkenner ein Scherz. Sie schätzen das Haus Cardin eher auf 200 Millionen.
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