London.. Beim berühmten Pferderennen in Ascot ist längst nicht alles erlaubt. In diesem Jahr hat die Modepolizei ihre Arbeit aufgenommen: Hüte müssen einen Mindest-Durchmesser von zehn Zentimetern haben, nackte Schlüsselbeine sind verboten und Krawatten selbstverständlich.
Schluss mit schlampig in Ascot: Die Veranstalter des weltberühmten Pferderennens setzen dieses Jahr zum ersten Mal eine Modepolizei ein. 30 „Dresscode-Assistentinnen“ sind darauf getrimmt, Gäste mit Spaghetti-Trägern, Mini-Röcken und schlechter Behütung dingfest zu machen. Besonders am Ladies’ Day am Donnerstag, dem schrillsten Tag im englischen Galopp-Kalender, dürfte die Task Force „Stilsünde“ viel zu tun haben.
Ein Teekanne auf dem Kopf ist erlaubt, das nackte Schlüsselbein einer Dame aber pfui. So absurd diese Regeln scheinen, so wenig bringt es, mit der frisch trainierten Fashion-Kontroll-Staffel zu diskutieren. Nähern sich die lila Uniformierten, ist man dran - und wird zwangseingekleidet. Aufpasserinnen verteilen bei dem fünftägigen Rennen erstmals Schals, Krawatten und Kopfbedeckungen, wo zu viel Haut oder ein Nichts gähnt.
Im Kampf gegen den Sittenverfall, den die Macher von Ascot seit vier Jahren offensiv führen, ist dies ein ungewöhnlicher Schritt: Vorschriften sind Briten eigentlich zuwider. Doch nichts anderes scheint zu funktionieren. Nick Smith, Sprecher des weltberühmten Rennbahn, hatte es anfangs mit Humor versucht: „Unterhosen sollten getragen werden, aber nicht so, dass sie für alle sichtbar sind.“
Jede Zone mit eigenen Garderobenregeln
Im zweiten Jahr gab es eine detaillierte Kleidungsanleitung, 2011 wurden Modesünder schließlich mit orangefarbenen Aufklebern gekennzeichnet. Dieses Jahr zündet Ascot die nächste Maßnahme mit seiner Stil-Polizei. Für die Rennbahn geht es um viel: Sein exklusives Image leidet seit langem, weil immer wieder Fotos von Damen in Strip-Club-Outfits und von Alkoholexzessen um die Welt gehen.
Freche Frauen sabotieren nicht allein den guten Geschmack - der Lauf der Zeit nagt ebenfalls an den Säulen des traditionsverliebten Königreiches. Denn wer weiß heute schon, wie man einen Hut korrekt trägt? Oder dass Kleider mit Spaghettiträgern in besseren Kreisen als Symbol für Stillosigkeit schlechthin gelten? Noch verzwickter ist das Ganze, weil Ascot seine Zuschauerränge in drei Zonen einteilt. Und jede Zone hat ihre eigenen Garderoberegeln.
Passende Hüte gegen 60 Euro Kaution
In die „Royal Enclosure“, wo der Adel auf Höhe der Ziellinie flaniert, bekommen nur Ausgewählte Zutritt. Man würde denken, dass sich zumindest diese Glücklichen in Garderobefragen nicht vergaloppieren. Weit gefehlt! „Hüte müssen hier über zehn Zentimeter Durchmesser haben“, erinnert Smith sie aus gegebenem Anlass.
Wer hier von der Modepolizei aufgegriffen wird, muss sich gegen 60 Euro Kaution einen großen Hut vor Ort leihen. „Wir haben Tausende Kreationen auf Lager, weil wir ja wissen, dass eine Dame nicht einfach irgendeine Farbe tragen kann“, sagt er. Die Rocklänge ist als knieumspielend angegeben, Schultern müssen bedeckt sein. Hosenanzüge sind - zähneknirschend - erlaubt.
Not amused über nackte Oberkörper
Im „Grandstand“ neben der königlichen Loge stehen all jene, die dem Adel nah sein wollen, aber schlicht nicht die passenden Kontakte haben. Damit also die weniger Distinguierten die vornehme Gesellschaft nebenan nicht optisch beleidigen, ist auch hier Kopfbedeckung Pflicht. Ein winziger, federleichter Fascinator reicht aus, und wo er fehlt, verschenkt die Task Force ab sofort gnädig Ersatz. Auf den billigsten und schlechtesten Plätzen im „Silver Ring“ gilt indes nur eine Regel: „Nackte Oberkörper sind verboten.“
Der Tag der Hüte
Wer will da noch auf Huftiere wetten? Der größte Nervenkitzel beim Ladies’ Day heute dürfte darin liegen, der Modepolizei ein Schnippchen zu schlagen oder die letzten Schlupflöcher auszunutzen. Wie das geht, hat eine Britin am Dienstag vorgemacht: Der Hut war respektabel, das Kleid knielang, die Schultern mit Trägern breiter als zwei Zentimetern bedeckt. Nur ihr Rücken war - komplett nackt. Man muss halt nur klüger sein als die Stil-Snobs.