Jerusalem.. Viele halten die Idee für makaber: Eine Miss-Wahl unter Frauen, die den Holocaust überstanden haben. Der Organisator will mit dem Schönheitswettbewerb auf Holocaust-Überlebende in Israel aufmerksam machen, die oft in Einsamkeit und Armut ihr Dasein fristen. Ein Beigeschmack bleibt aber.
Tausende Holocaustüberlebende darben in Israel unter der Armutsgrenze und erhalten nicht die notwendige Hilfe. Ein Schönheitswettbewerb zwischen Frauen, die die Schoa überstanden, soll Abhilfe schaffen. Manche kritisieren den Schritt, doch die 78 Jahre alte Gewinnerin ist froh: „Wenigstens spricht man jetzt über uns.“
14 Damen in der Endrunde
Der Schönheitswettbewerb, der Donnerstagabend in einem Einkaufszentrum in Haifa abgehalten wurde, war fast wie jeder andere: Er wurde von einer Kosmetikfirma gesponsert, die 14 Damen, die es in die Endrunde geschafft hatten, stolzierten geschminkt und selbstbewusst lächelnd in ihren schwarzen Abendkleidern auf dem roten Teppich vor einem aufgeregt klatschenden Publikum hin und her. Eine Krone stand bereit, um von Heli Ben David, Israels Schönheitskönigin des Jahres 1979, der Siegerin übergeben zu werden.
Dennoch war spätestens in dem Augenblick klar, in dem der Conférencier seine Fragen stellte, dass es sich um einen außergewöhnlichen Wettbewerb handelte: Die Damen auf der Bühne waren alle zwischen 74 und 97 Jahre alt, im Publikum saßen ihre Kinder, Enkel und sogar Großenkel. Und sie alle hatten die Schrecken der Schoa, des Völkermordes der Nazis an sechs Millionen Juden im Zweiten Weltkrieg, überlebt.
Zwischen den Witzen, dem Pomp und dem warmen Lächeln überfiel das Publikum immer wieder eine eisige Stille, wenn die Frauen auf der Bühne von ihrem Schicksal erzählten: Die letzten Augenblicke, in denen sie Familienangehörige gesehen hatten, über den Hunger, das Exil in Sibirien, den Kampf an Seiten der Partisanen oder die schmerzhafte Trennung von ihren Müttern.
Viele dachten, es handele sich um einen schlechten Witz
Als die Ankündigungen für den Wettbewerb um Miss Holocaust im Internet veröffentlicht wurden, dachten viele anfangs, es handle sich um einen schlechten Witz. „Warum lässt man sie nicht einfach ihre Geschichte erzählen, ohne auf einen billigen Gimmick zurückzugreifen?“, kommentierte ein Artikel. „Was ist der Nächste Schritt: eine Big-Brother-Show in Auschwitz?“, fragte ein anderer. Sprecher von Holocaustverbänden nannten die Idee „makaber“ oder „fürchterlich“.
Schimon Sabag, der Veranstalter des Wettbewerbs, wies die Kritik zurück: „Es geht hier nicht nur um Schönheit, sondern vor allem um den Weg, den diese Frauen zurücklegen mussten.“ Dem Publikum solle klargemacht werden, dass „auch Holocaustüberlebende trotz allem Frauen sind, die sich selbst feiern, Spaß haben und gut leben wollen.“
Viele Überlebende leiden unter Vereinsamung
Sabag wollte mit seiner Aktion darauf aufmerksam machen, dass genau das vielen, die der Schoa entkamen, vorenthalten bleibt. Rund 198.000 Holocaust-Überlebende leben noch in Israel. Laut einer Studie leidet die Hälfte dieser Menschen unter Vereinsamung.
Ein Viertel ist bei der Lebensmittelversorgung auf Spenden angewiesen, 12.000 frieren im milden israelischen Winter, weil sie ihre Stromrechnung nicht begleichen können. Etwa 60 Prozent benötigt Hilfe, um alltäglichen Erledigungen nachzugehen. Doch das ist etwas, über das man in Israel nur selten spricht.