Berlin/Dortmund.. Ausgerechnet in den Reihen der Eigentümerfamilie der Rüstungsschmiede Krauss-Maffei-Wegmann gibt es ersten Widerstand gegen den geplanten Panzerhandel mit Saudi-Arabien. Da regt sich ein Gewissen.

Verschwiegenheit ist ein strenges Gebot in der Rüstungsbranche. Die profitträchtigen Geschäfte mit Waffen aller Art sind meist so heikel, dass öffentliche Aufmerksamkeit nur stört. Deshalb erschüttert die Konzerne, was sich rund um einen geplanten Panzer-Deal mit Saudi-Arabien zusammenbraut; und auch der Bundesregierung droht neues Ungemach.

Einer aus dem Inneren bricht sein Schweigen. Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern, wäre nach Ansicht von Burkhart von Braunbehrens „Wahnsinn“. Er bitte, lässt er deutsche Medien wissen, den Bundespräsidenten, den Export nicht zu genehmigen, und er warnt: „Deutschland würde als das Land, das gegen die arabische Opposition Panzer geschickt hat, in die Geschichte eingehen.“ Da regt sich ein Gewissen.

Braunbehrens ist Gesellschafter des Rüstungskonzerns Krauss-Maffei-Wegmann (KMW), der einen Auftrag zur Lieferung von 270 Kampfpanzern nach Saudi-Arabien an Land gezogen hat. Als das Geschäft im vorigen Jahr ruchbar wurde, schlug die öffentliche Empörung hohe Wellen.

Ausgerechnet während der arabischen Rebellionen Waffen in ein autoritär regiertes Land zu verkaufen, das eben erst mit seinen Panzern die Proteste in Bahrain erstickt hatte, sei verwerflich, unmoralisch, auch unzulässig, monierten die Kritiker. Zu verhindern aber schien der brisante Deal nicht. Die Politik spulte ihre Routine ab: Der Bundessicherheitsrat entscheide derlei im Geheimen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), und dabei solle es bleiben.

Großprojekt lässt sich "nicht mehr an der Öffentlichkeit vorbeimogeln"

Der Rest ist Schweigen. Auch jetzt, da das Geschäft am Eigentümerstreit bei KMW zu platzen droht, äußert sich Merkel nicht. Die Ausfuhr von Leopard-2-Panzern – das saudische Königshaus soll bis zu 800 Stück im Gegenwert von etwa zehn Milliarden Euro ordern wollen – ist Zeitungsberichten zufolge im Kabinett umstritten.

Das Thema sei „nur vordergründig beruhigt“, da sei noch „Glut unter der Asche“, sagt der Berliner Politikwissenschaftler Peter Grottian auf Anfrage der WR. Nach seiner Einschätzung sollte der „Panzerdeal möglichst weit vor dem Wahlkampf 2013 bundessicherheitsratsfest gemacht werden“. Ein solches Großprojekt lasse sich jedoch „nicht mehr an der Öffentlichkeit vorbeimogeln“. Grottian meint, die Rüstungsunternehmen wären gut beraten, mittelfristig die Umstellung der Rüstungsproduktion auf eine nachhaltige zivile Fertigung zu planen. „Sie werden mit ihrem Arbeitsplatzargument niemand mehr beeindrucken, wenn nur noch 0,2 – 0,3 Prozent der Erwerbstätigen in der Rüstungsproduktion tätig sind.“

Die Kritiker wappnen sich. 120 Gruppen tragen die „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ unter der Schirmherrschaft von Ex-Bischöfin Margot Käßmann. Als „Zentrum für Politische Schönheit“ macht eine Künstlerinitiative gegen KMW mobil. Sie setzt eine Belohnung von 25.000 Euro für Hinweise aus, die KMW-Eigentümer ins Gefängnis bringen. Philipp Ruch, Sprecher der Truppe, hoffte darauf, dass eine Zusammenkunft aller 38 Anteilseigner den Deal zu Fall bringen könnte. Stattdessen flog, wie Ruch der WR auf Anfrage sagte, Burkhart von Braunbehrens aus dem Aufsichtsrat und dem Gesellschaftsrat.

Schillernde Vita

Der 71-jährige Braunbehrens blickt auf eine schillernde Vita: Künstler, Achtundsechziger, Vietnamkriegsgegner und Erbe seiner Anteile an der Münchner Waffenschmiede. Daran interessierte ihn durch die bewegten Jahrzehnte hindurch kaum mehr als sein Kontostand. Nun schreckt er die gesamte Branche auf und frisst auch das Gras, das die Koalition seit vorigem Sommer über die Angelegenheit wachsen lassen wollte.

Ruprecht Polenz (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, sagt auf Anfrage der WR: „Die Bundesregierung hat sich bisher nicht zu einer eventuellen Lieferung von Leopard-Panzern an Saudi-Arabien geäußert.“ Er erläutert die Verfahrensfolgen, die sich aus einer möglichen Aufstockung des Geschäfts ergeben: „Vorbescheide beziehen sich auf ihren konkreten Inhalt. Sind dabei Stückzahlen angegeben, ist der Vorbescheid auf diese Stückzahl begrenzt; für eine erhöhte Stückzahl müsste ein (ergänzender) Bescheid ergehen.“ Die Bundesregierung müsste Polenz zufolge als Lizenzgeber einem Export auch dann zustimmen, wenn die Panzer in Spanien hergestellt werden sollten.

Politologe: Länder sollten Mitspracherecht für den Panzerexport anmahnen

Der CDU-Abgeordnete aus Münster macht sich aktuell stark für einen internationalen Waffenhandelskontrollvertrag. Die Verhandlungen sollen im Juli beginnen. Polenz: „Es wäre der erste Vertrag in der Geschichte der UN, der internationale verbindliche Regeln festlegt, unter welchen Voraussetzungen der weltweite Handel mit konventionellen Rüstungsgütern kontrolliert und möglicherweise auch verboten werden soll.“ Für das Panzergeschäft mit den Saudis kommt das zu spät.

Einen anderen Hebel empfiehlt Peter Grottian. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen seien Länder mit einer ganzen Reihe von Leo-Zulieferbetrieben, „etwa Rheinmetall in Düsseldorf, wo die Panzerkanonen gefertigt werden, oder der Panzerketten produzierende Konzern Diehl in Remscheid“.

Der Politologe empfiehlt, dass die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) und Hannelore Kraft (SPD) „im Bundesrat aktiv werden, um ein Mitspracherecht für den Panzerexport anzumahnen“. Darüberhinaus regt er einen „Gipfel zu den Waffenexporten ihrer jeweiligen Länder“ an.