London/Messel. Zum ersten Mal haben Paläontologen Fossilien von kopulierenden Wirbeltieren entdeckt. In der Grube Messel bei Darmstadt stießen sie auf insgesamt neun Paare von urzeitlichen Weichschildkröten, die während des Geschlechtsakts gestorben und in dieser Position konserviert worden waren.
Wissenschaftler haben zwei in Liebe vereinte und versteinerte Wasserschildkröten entdeckt, die vor rund 47 Millionen Jahren bei der Paarung gestorben waren. Die Paläontologen fanden die beiden Tiere der inzwischen ausgestorbenen Art "Allaeochelys crassesculpta" in der an Fossilien reichen Grube Messel in der Nähe von Darmstadt, wie die britische Fachzeitschrift "Biology Letters of the Royal Society" am Mittwoch berichtet.
Die hinteren Enden ihrer Schilde waren aneinandergedrückt, und die Männchen hatten teilweise noch ihren Schwanz unter die Schale des Weibchens gebogen und ihn neben den ihrer Partnerin gelegt, berichtet das deutsch-schweizerische Forscherteam. Das sei typisch für die Paarungsstellung.
Schildkröten tauchten beim Sex in giftige Wasserschicht
"Millionen Tiere leben und sterben jedes Jahr und viele von ihnen werden zufällig zu Fossilien, aber es gibt wirklich keinen Grund, warum das ausgerechnet passieren sollte, wenn sie sich gerade vermehren", beschrieb der Geowissenschaftler Walter Joyce von der Universität Tübingen den seltenen Fund. Die Chance, dass zwei Partner im selben Moment sterben, sei ohnehin sehr gering, sagte Joyce der Nachrichtenagentur AFP.
Für ihn und die anderen beteiligten Experten ist der Fund ein Beweis dafür, dass das Wasser im früheren Vulkansee Messel vermutlich durch Vulkan- oder Faulgase in der Tiefe giftig wurde. Das Schildkrötenpaar begann mit seinem Liebesspiel wahrscheinlich an der noch sauerstoffhaltigen Oberfläche, tauchte dann in den giftigen Bereich ab und starb.
Pärchen erstarrt oft bei der Paarung
Das durch Vulkangase oder organische Ablagerungen toxische Tiefenwasser sei für die Tiere tödlich gewesen, sagen die Forscher. Denn die Haut heute noch lebender und höchstwahrscheinlich auch der urzeitlichen Weichschildkröten war ungepanzert und relativ durchlässig, weil diese Tiere auch über sie atmeten.
Eine Eigenheit wurde den Tieren dabei zusätzlich zum Verhängnis: "Wenn das Männchen es einmal geschafft geschafft hat, das Weibchen zu besteigen, erstarrt das Paar oft in dieser Position, bevor es sich wieder trennt", erklärten die Forscher. Immerhin wurden die beiden Wasserschildkröten so zum ältesten je bei der Paarung gefundenen Wirbeltierpaar.
Die Grube Messel gehört wegen ihrer reichen Fossilbestände zu den Weltnaturerbe-Stätten der UNESCO. In den Ölschieferablagerungen des einstigen Vulkansees finden sich zahlreiche Relikte von Tieren und Pflanzen aus der Zeit vor rund 47 Millionen Jahren. In dem Messeler Ölschiefer fanden die Forscher auch die insgesamt 51 Exemplare der Weichschildkröten Allaeochelys crassesculpta, von denen 18 als Paar erhalten waren. (afp/dapd)