Essen. . Christopher Lee, die Ikone des Horrorfilms, wird am Sonntag 90 Jahre alt. Für eine ganze Generation prägte er 1958 das Bild von Dracula als Aristokrat der Nacht. Sein Biss war im Vergleich zu Darstellungen in heutigen Vampir-Filmen dezent – sein Cape hingegen wehte eindrucksvoll.

„Ich finde es widerlich, was da geschieht“, erbost sich ein älterer Herr namens Christopher Lee derzeit auf seiner Homepage über den Horrorfilm der Gegenwart. „Das Blut begräbt die Leinwand unter sich wie eine Lawine. All diese Verstümmelungen, schreckliche Dinge, ich mag es einfach nicht.“ Das schreibt immerhin einer, der einst selbst ein nicht unwichtiger Teil des Horrorgenres war. Der für eine ganze Generation das Bild des Vampirs Dracula als Aristokrat der Nacht prägte.

Aber das war 1958, als der Schrecken auf der Leinwand noch dezent daherkam. Als Vampire noch keine Hälse aufrissen, sondern der Biss eher wirkte wie ein dezenter Kuss, eine Art Entjungferung, unterstrichen durch ein dünnes Rinnsal Blut.

Der finstere Asiate

Christopher Lee, Spross einer britischen Offiziersfamilie, ausgebildeter Opernsänger, der Sonntag seinen 90. Geburtstag feiern kann, hatte schon einige Nebenrollen gespielt, als ihn dieses Angebot des Hammer Filmstudios erreichte. Dort versprach man sich etwas davon, all jene Schreckensfiguren wiederzubeleben, die in den 30er-Jahren zur Blüte des US-Kinos beigetragen hatten.

Bram Stokers Vampir Dracula besaß damals das alte Pfannkuchengesicht eines Bela Lugosi, was es für Lee leicht machte, in dieser Rolle Geschichte zu schreiben. Unvergesslich seine Augen, die bei steigender Blutlust von roten Adern durchsetzt sind. Oder der Griff an sein Cape, wenn er ein weibliches Opfer umhüllt, um es fast intim zu einer Gefährtin der Nacht zu machen. Bis 1973 verkörperte er für Hammer den Dracula in sieben Filmen und näherte sich in „Dracula jagt Minimädchen“ (1972) dabei sogar der Gegenwart des Swinging London.

Wie einst Boris Karloff in den USA, so wurde Christopher Lee in Europa zu einem Synonym für den Horrorfilm. Lee spielte so gut wie alles, was man ihm anbot. Seine markante Gestalt tauchte in „Vampire gegen Herakles“ ebenso auf wie in deutschen Edgar-Wallace-Filmen. In fünf Filmen war er der finstere Asiate Dr. Fu Man Chu, der unermüdlich nach der Weltherrschaft strebt. Es ist kein Wunder, dass der Schauspieler heute Auftritte in 275 Filmen nachweisen kann. Das Guinness Buch der Rekorde führt ihn als „Schauspieler mit den meisten Filmrollen“.

Alter Mann in der Hafenkneipe

Der Sektenführer Lord Summerisle in dem Kultfilm „The Wicker Man“ sollte ein Schritt aus dem Bereich immer obskurer werdender B-Filme sein. Selbst seine Berufung zum Bond-Gegenspieler Scaramanga (Der Mann mit dem goldenen Colt“) hielt Lee nicht davon ab, weiter bei Sachen wie „Invasion der Raumschiffe“ mitzumachen.

Verständlich, dass sich unter seinen sängerischen Hervorbringungen auch die Duett-Single „Little Witch“ von Ralph Siegel befindet. Man muss nicht betonen, dass es ein Flop wurde. Dass ihm schließlich die Rollen des Zauberers Saruman in „Der Herr der Ringe“ und des düsteren Count Dooku in „Star Wars“ angetragen wurden, ist der Tatsache geschuldet, dass Lee über Jahrzehnte zur Ikone einer ganzen Filmgattung gereift ist. Im Privatleben ging es dabei ruhiger zu als vor der Kamera. Seit 1961 ist Lee mit dem dänischen Ex-Model Birgit Kroencke verheiratet, seit langer Zeit engagiert er sich für Unicef.

Und Filme? Wer sich dieser Tage „Dark Shadows“ von Tim Burton ansieht, sollte auf einen alten Mann in der Hafenkneipe achten. Christopher Lee ist auch noch gewaltig, wenn er nur noch als Zitat auftritt.