Washington. Bereits Mitte der 90er-Jahre wusste die US-Regierung um eklatante Fehlerquellen in Untersuchungslaboren der Bundespolizei FBI. Die Ergebnisse wurden viele Jahre zurückgehalten. Unschuldige blieben hinter Gitter oder wurden hingerichtet

Eklatante Fehler bei der Analyse von Haarproben und Hautresten in Mord- und Tötungsdelikten haben in Amerika in Hunderten Fällen zu Justizirrtümern, ungerechtfertigten Strafen und sogar Exekutionen geführt. Intern waren die Defizite vor allem bei der Bundespolizei FBI lange bekannt, sie wurden aber jahrelang unter der Decke gehalten.

Wie die „Washington Post“ seit zweit Tagen umfangreich und bisher undementiert berichtet, führten Zweifel an der Arbeit der FBI-Untersuchungslabore bereits in den 90er-Jahren zu einer groß angelegten Untersuchung. Das Justizministerium ließ 6000 Fälle nachträglich rekonstruieren. Die Untersuchung dauerte neun Jahre. Die Ergebnisse wurden 2004 aber weder an die zum Teil seit vielen Jahren zu Unrecht einsitzenden Häftlinge noch an deren Anwälte weitergegeben. Allein die beteiligten Staatsanwälte, so die „Post“, wurden informiert, behielten die teils entlastenden Erkenntnisse aber weitgehend für sich.

Hundehaare als Beweismittel in einem Mord

In mehreren Fällen wird der Name Michael Malone genannt; ein Kriminaltechniker, der offensichtlich gerade bei Haaranalysen mehrfach fatale Fehler begangen haben soll. Stellvertretend beschreibt die Zeitung den Fall Santae Tribble. Der damals 17-jährige Junge wurde beschuldigt, einen Taxifahrer ermordet zu haben. Obwohl mehrere Zeugen unter Eid aussagten, dass Tribble zur Tatzeit bei ihnen gewesen sei, kam es zur Verurteilung. Kernstück der Beweisführung der Staatsanwaltschaft waren Haarproben, die Tribble zugeordnet wurden. Wie sich bei den internen Prüfungen herausstellte, handelte es sich bei den FBI-Beweisgegenständen in Wahrheit um Hundehaare.

Die Dimension der Verfehlungen wird aus Sicht der „Washington Post“-Rechercheure deutlich an einem 500-starken Verschlusssache-Report, den bereits 1997 der damalige FBI-Generalinspekteur Michael Bromwich vorgelegt hatte. Darin wird minutiös beschrieben, dass FBI-Experten bei landesweit bekannten Kriminalfällen – etwa dem Bombenattentat von Oklahoma 1995, dem Mordprozess gegen den früheren Footballstar O.J. Simpson und den ersten Anschlägen auf das World Trade Center in New York 1993 – mehrfach zu „unwissenschaftlichen Schlussfolgerungen gekommen sind“, die für die Beschuldigten von großem Nachteil waren. Auch dieser Bericht verschwand in den Aktenbergen.

Nach den Attentaten vom 11. September 2001 änderten sich sicherheitspolitisch die Prioritäten in den USA, das Thema geriet ins Abseits. Mehrere der damals Verantwortlichen sind inzwischen verstorben oder nicht mehr in öffentlichen Ämtern. Aufklärung verspricht sich die „Washington Post“ von Janet Reno, damals Generalstaatsanwältin, derzeit erkrankt. Wie viele heute noch in Haft sitzende Männer und Frauen Opfer der Vertuschungen sind, bleibt vorläufig offen. Das Justizministerium weigert sich, die Namen jener Menschen herauszugebe, denen durch Experten des FBI Unrecht geschah.