Emden. . Nach dem Sexualmord an einer Elfjährigen in Emden kritisiert die Polizei die aufgeheizte Stimmung in der Stadt. Dutzende Personen hatten sich nach einem Aufruf im Internet vor dem Polizeirevier versammelt, um es zu stürmen und den Verdächtigen zu lynchen. Die Gewerkschaft der Polizei ist entsetzt.
Der des Sexualmords an einer Elfjährigen verdächtigte 17-Jährige aus Emden schweigt weiterhin zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Es gebe "Indizien", die gegen den Berufsschüler sprächen, aber keine klaren Beweise und kein Geständnis, sagte Werner Brandt, Leiter der Mordkommission, am Donnerstag in Emden. Die Polizei kritisierte die aufgeheizte Stimmung in der Stadt, in der Menschen bei einem Auflauf zu "Lynchjustiz" aufgerufen hatten.
"Die Ermittlungen werden mit aller Macht weitergeführt", sagte Brandt. "Wir ermitteln in alle Richtungen, auch weiterhin." Seinen Angaben nach hatte sich der Schüler, der am Dienstagabend in Emden in der Wohnung seines Vaters gefasst worden war, bei Vernehmungen in Widersprüche verwickelt. Außerdem erwies sich das von ihm für die Tatzeit genannte Alibi bei einer Überprüfung als falsch. Tatort-Spuren, die "möglicherweise" auch DNA enthielten, würden derzeit noch untersucht, teilte Brandt mit. Ein Ergebnis werde in einigen Tagen vorliegen.
Die Ermittler gehen von Sexualdelikt aus
Die Elfjährige war am Samstag in einem Parkhaus in der Innenstadt von Emden getötet worden. Die Ermittler gehen von einem Sexualdelikt aus. Der Verdächtige war durch die Aussage einer Zeugin ins Visier geraten. Demnach hatte er sich "auffällig" verhalten und passte zu der Beschreibung eines möglichen Verdächtigen, den die Polizei auf Aufnahmen von Überwachungskameras entdeckt hatte. Am Mittwochabend erließ das Emdener Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehl wegen Mordverdachts gegen den Jugendlichen.
"Er steht im Verdacht, die Elfjährige in Verdeckungsabsicht getötet zu haben", sagte der zuständige Oberstaatsanwalt Bernard Südbeck am Donnerstag in Emden. Nach der Auffassung der Staatsanwaltschaft, der auch das Gericht gefolgt sei, habe der Mann das Mädchen möglicherweise getötet, um eine vorangegangenes Sexualdelikt zu vertuschen. Südbeck verwies darauf, dass für den Verdächtigen die Unschuldsvermutung gelte.
Die Elfjährige war am Samstagnachmittag mit einem gleichaltrigen Freund zum Entenfüttern in die Emder Wallanlagen aufgebrochen, einem Grüngürtel innerhalb der ostniedersächsischen Stadt. Dort verschwand sie. Später wurde sie leblos im Treppenaufgang eines Parkhauses gefunden. Details über das Zusammentreffen von Opfer und Täter, die Tatumstände oder die Todesursache nannten Polizei und Staatsanwaltschaft bislang nicht, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.
Gewerkschaft der Polizei äußerte sich entsetzt
Das Verbrechen sorgt in Emden für enorme Empörung. Nach der Festnahme des 17-Jährigen hätten 50 aufgebrachte Menschen stundenlang vor das Polizeirevier ausgeharrt, sagte Martin Lammers, Vizechef der Polizeiinspektion Leer/Emden, am Donnerstag. Dabei seien Stimmen laut geworden, "die sich nur als Aufruf zur Lynchjustiz deuten lassen". Die Polizei werde mit "aller strafrechtlichen Härte" gegen Beteiligte vorgehen. Er kritisierte die Stimmung in der Stadt. Im Internet seien mehrfach Menschen mit Namen und Adressen als angebliche Täter denunziert worden. Die Vorgänge hätten die Ermittlungsarbeit "immens gestört".
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte sich entsetzt. Aufrufe zur Lynchjustiz seien "äußerst besorgniserregend", erklärte GdP-Bundesvorsitzender Bernhard Witthaut in Berlin. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Polizei über Stunden von einer aufgebrachten Menschenmenge bei der Arbeit gestört werde. (afp)