London. . Die olympischen Sommerspiele nahen. Sie lösen in London keineswegs ungebremste Begeisterung aus. Im Gegenteil: Dass Babys fürs Ticket den vollen Preis zahlen sollen, sorgt für Empörung pur.

Kräne und Kipplaster verschwinden allmählich, der Baulärm wird leiser, die Spannung steigt: Im Juli feiert die britische Metropole die Olympischen Spiele. Die erste Siegermedaille könnte London sich für den Bau der Sportstätten allerdings schon jetzt selbst umhängen. In Rekordzeit hat die Großstadt ihren schäbigen Hinterhof in einen schillernden Park verwandelt.

Als London vor sechs Jahren den Zuschlag für die Olympischen Spiele bekommen hat, war die Skepsis mindestens so groß wie die Freude. Würde man die Welt inmitten des größten Schandflecks Großbritanniens beherbergen müssen, lautete die bange Frage. Kritiker waren sich einig: Die Insel ist Weltmeister im Improvisieren, der komplexe Umbau einer halben Großstadt jedoch eine Hürde, an der man nur scheitern kann. Kröten und Wassermolche, einzige Anwohner des Niemandslandes in Ostlondon, drohten das Projekt weiter zu verzögern.

Alle Einrichtungen werden jetzt schon getestet

Heute ragt die rasante Architektur der Sportstätten trotz aller Unkenrufe in den grauen Himmel: Das geschwungene Flügeldach der Schwimmhalle dominiert den Blick auf den Park. Gleich daneben steigen über der Industriehalde die Silhouette von Stadion, Velodrom und der Hand- und Basketballarenen empor.

Sitzplätze, Spielfelder oder Ticketschranken – alles ist bereits an seinem Platz und wird getestet. Londons größtes Einkaufszentrum mit 250 Geschäften direkt am Olympia-S-Bahnhof Stratford ist dieses Jahr eröffnet worden. Selbst die umgesiedelten Wassermolche, so versichern Umweltschützer, fühlten sich in ihrem neuen Domizil wohl.

Noch kein Grün zu sehen

Das Einzige, das dem entgifteten, aufbereiteten Brachland zur Eröffnungsfeier am 27. Juli 2012 noch fehlt, ist Grün. Doch die Organisatoren haben aus der Windsor-Hochzeit im Mai gelernt, bei der Tausende Tulpen wegen des unerwartet guten Wetters schon vor dem großen Tag verblüht waren. In der 42 Hektar großen Landschaft werden Blumen, Bäume und Sträucher nach offiziellen Angaben also erst um „5 vor 12“ gepflanzt. So lange bleibt bei den Briten die Vorfreude aus. Denn die Spielstätten mögen stehen, olympische Euphorie hingegen will nicht so recht einziehen.

Vom Boom keine Spur

Kein Wunder, dass der Funke noch nicht überspringt. Von den Boomzeiten, in denen London sich um den Zuschlag für die Spiele 2012 beworben hat, ist in diesen Tagen nichts mehr zu spüren. Die Arbeitslosigkeit in Großbritannien befindet sich auf dem höchsten Stand seit 17 Jahren und klettert weiter; in allen Bereichen werden staatliche Zuschüsse gekürzt, um den maroden Haushalt zu sanieren.

Die zwölf Milliarden Euro, die die Regierung nun in den Olympischen Wettkampf investiert, sind daher vielen Briten ein Dorn im Auge. Und wirklich genießen können ohnehin nur ganz wenige Londoner die Spiele: Die meisten Großstädter sind in der Ticket-Lotterie leer ausgegangen, werden aber dennoch unter dem drohenden Verkehrskollaps im Sommer zu leiden haben. Sicherheit ist die zweite große Sorge.

Die letzten Spiele

Statt der ursprünglich geplanten 7000 Soldaten haben die Organisatoren nun angekündigt, an den 17 Wettkampftagen doppelt so viele Streitkräfte einzusetzen. Ein Großteil von ihnen soll die Polizei bei ihren Aufgaben unterstützen, die schon im Sommer ausgerechnet in der Nähe des Olympia-Geländes bei Aufständen plündernder Jugendlicher an ihre Grenzen geraten war.

Optimismus, den verspüren zurzeit nur die älteren Briten. Sie erinnern an 1948, als das Königreich die letzten Spiele ausgerichtet hat – in großer Nachkriegsnot, bei Essens- und Spritknappheit. Es war ein großer Erfolg: Mehr Sportler als je zuvor beteiligten sich an den Spielen. Und am Ende soll vom Budget sogar noch etwas in der Kasse gewesen sein.