Hamburg. . Mit anspruchsvollen Produktionen und Kinohits versucht das Erste, mehr Publikum zu gewinnen. “Am Hauptabend“, meint Programmdirektor Volker Herres, “sind wir unangefochten der Platzhirsch“. Der Vergleich mit RTL bei der Quote sei nicht alles.
Eigentlich ist Volker Herres ja nach Hamburg gekommen, um die Filme und Serien vorzustellen, die das Erste in diesem Jahr zeigen will. Aber natürlich kann der Programmdirektor der ARD dabei nicht die Augen vor den Schlagzeilen der letzten Tage verschließen. „ARD auf historischem Tiefpunkt“ lautete eine und von Debakel und Misere musste er lesen. „Manchmal“, sagt Herres, „wundere ich mich schon.“
In Sorge aber ist er offenbar nicht, so entspannt wie er da steht, hoch über den Dächern der Hansestadt im Konferenzraum eines großen Hotels. Obwohl der Abstand zum Marktführer RTL bei den Einschaltquoten immer größer wird (12,4 zu 14,1 Prozent) und junge Leute die ARD anscheinend von ihrer Fernbedienung gelöscht haben. Nur noch auf Platz fünf lag der Sender bei den 14- bis 49-Jährigen im vergangenen Jahr. Selbst Vox wird von dieser „werberelevanten Zielgruppe“ mittlerweile lieber geschaut.
Quoten-Vergleiche mit RTL hinken - aus Sicht der ARD
Immerhin: „Am Hauptabend sind wir unangefochten der Platzhirsch“, kontert Herres. „Mit 15,3 Prozent im Jahresschnitt.“ Aber Quoten seien ja ohnehin nicht alles und Vergleiche mit RTL hinken. „Es ist doch nicht egal, mit welchem Programm man seine Zuschauer erreicht.“ Natürlich sei Reichweite wichtig, sie dürfe aber nicht zu Lasten der Qualität gehen. „Und im Ersten setzen wir auf Qualität.“
Eine Behauptung, die man nicht jedem Film-Highlight der kommenden Monate ansieht. Natürlich gibt es – wenn die ersten Bilder nicht lügen - vielversprechende Produktionen wie „Der Turm“ oder „Ausnahmezustand“.
Keine US-Serien ins Programm
Vom Niedergang einer gutbürgerlichen Dresdner Arzt-Familie in den 1980er-Jahren erzählt der eine, von den Erlebnissen einer Gruppe Bundeswehrsoldaten in Afghanistan der andere. Auf einen beeindruckenden Ulrich Tukur als Rommel darf man sich im Herbst freuen und bereits am 25. Januar auf einen Armin Rohde in der Rolle eines irren Schwerverbrechers, der im „Alleingang“ aus dem Knast flüchtet.
Andererseits erlebt Hansi Hinterseer eine „Heimkehr mit Hindernissen“, erkennt Katja Flint „Heiraten ist auch keine Lösung“ und Howard Carpendale bittet „Lebe dein Leben“. Titel, die auch bei der privaten Konkurrenz nicht auffallen würden und deren Inhaltsangaben Schlimmes befürchten lassen.
Altlasten des seichten Geschmacks
Viele davon sind wohl Altlasten des seichten Geschmacks von Hans-Wolfgang Jurgan, dem ehemaligen Geschäftsführer der ARD-Filmfirma Degeto, der bis zu seiner Ablösung im vergangenen Jahr mehr Produktionen in Auftrag gab, als der 400 Millionen Euro schwere Jahresetat hergab. Weshalb sich Nachfolgerin Bettina Reitz mit neuen Aufträgen zurückhalten muss. Das soll der Zuschauer aber nicht merken. „Die Lager sind gefüllt“, sagt Reitz. „Und nicht nur mit schlechten Filmen.“
Und da gibt es auch noch die Streifen, die schon im Kino erfolgreich waren und nun in der ARD laufen. „Burn After Reading“ etwa, die Romanze „Briefe an Julia“ oder der erfolgreichste französische Film aller Zeiten „Willkommen bei den Sch’tis“.
Von der Kritik gelobte US-Serien fehlen
Bei den Serien setzt das Erste auf bewährte Formate. Selbstverständlich gibt es viel Tatort und Polizeiruf 110. Dieter Pfaff bleibt „Der Dicke“, Caroline Peters erlebt „Mord mit Aussicht“ und auch von Weissensee folgt eine zweite Staffel. Zudem darf Sherlock ebenso weiter ermitteln, wie „Irene Huss, Kripo Göteborg“. Nur die von der Kritik gelobten und von jungen Leuten geliebten US-Serien, die sucht man weiterhin vergeblich in der ARD. Er habe, bedauert Herres, keine freien Sendeplätze. Das wird sich vorerst nicht ändern. „Ich kann“, sagt der 54-jährige ARD-Chef, „kein Programm entdecken, von dem ich sage, da könnte ich drauf verzichten.“