An Rhein und Ruhr. . Männliche Lehrer sind an Grundschulen klar in der Minderheit. Dabei wären sie als männliche Vorbilder sehr wichtig für die Kinder, sagt eine Expertin der Uni Duisburg-Essen.

Thomas Rehm hat seine Berufung erst spät entdeckt. Der 44-Jährige arbeitete erst jahrelang als Fitnesstrainer, studierte dann Biologie und Germanistik, um Gymnasiallehrer zu werden. Doch es kam alles anders: Seit knapp einem Jahr unterrichtet Thomas Rehm als Referendar (offiziell: Lehramtsanwärter) an der Münsterschule, einer katholischen Grundschule in Essen. Er und sein Kollege Martin Sattler sind die einzigen Männer im Kollegium. Diese Männer-Quote scheint klein, doch vielerorts ist es noch extremer. Nicht wenige Grundschulkollegien sind komplett in weiblicher Hand.

Ein Praktikum im 9. Schuljahr gab für Thomas Rehm den Ausschlag, sein Studium für die Sekundarstufe I/II zugunsten der Primarstufe aufzugeben. „Zwischen Schülern in der Pubertätsphase und Grundschülern ist einfach ein riesiger Unterschied. In jungen Jahren ist die Heterogenität der Gruppe viel größer. Das hat mich gereizt“, sagt er. An der Münsterschule haben drei von vier Kindern einen Migrationshintergrund, viele sprechen kein Deutsch zu Hause. „Die haben ganz andere Lernvoraussetzungen als deutsche Kinder, die zu Hause gefördert werden“, so Thomas Rehm.

Wichtige Vorbildfunktion

Pädagogisch gefordert ist der Referendar hier jeden Tag aufs Neue. Und er hat festgestellt, dass Schüler auf männliche Lehrer anders reagieren als auf Frauen. Nicht nur die Jungen, auch die Mädchen. „Wenn Jungs mal rangeln und raufen, sehe ich als Mann eher, ob das Spaß oder Ernst ist. Ich weiß, wie ich die ansprechen muss.“ Viele Lehrerinnen gehen dagegen anders mit Disziplinlosigkeiten um, sie greifen früh ein und bestrafen härter.

Thomas Rehms Kollege Martin Sattler glaubt, dass männliche Lehrer in Grundschulen eine wichtige Vorbildfunktion haben können. „Ich finde es toll, Kindern den Spaß am Lernen und an der Bewegung mitgeben zu können“, sagt der 46-Jährige, der eine zweite Klasse leitet und zusätzlich Sport unterrichtet. Er selbst erinnert sich jedoch auch daran, wie er während seines Studiums von Kommilitonen aufgezogen wurde, die den Beruf des Grundschullehrers süffisant mit Attributen wie Kindertanz und Stuhlkreis verbanden.
„Bildung ist weiblich“, sagt denn auch Anja Pitton, Geschäftsführerin des Zentrums für Lehrerbildung an der Universität Duisburg-Essen. Der Anteil männlicher Studierender für Lehrerberufe schrumpft, mittlerweile haben in NRW nur noch an den Gymnasien in der Altersgruppe der über 45-Jährigen die Männer die Mehrheit.

Kann es daran liegen, dass Lehrer heute weniger Wissensvermittler als Erzieher und Sozialpädagogen sein müssen? Anja Pitton verneint: „Die Zahl der Männer in Studiengängen wie Sozialpädagogik ist konstant.“ Anders als bei den Lehramtstudierenden: „Der Beruf ist halt schlecht geredet worden“, sagt sie. Dabei wäre es so wichtig, dass auch Männer ihn ergreifen. „Denn in vielen Familien fehlen die Väter, da wären Lehrer wichtig, um eine männliche Vorbildfunktion zu haben“, so Anja Pitton.

Mittlerweile denkt man an der Uni darüber nach, mit so genannten „Boys’ Days“ Werbung zu machen für Berufe, in denen die Frauen immer mehr unter sich sind. „Vielleicht ändert sich etwas dadurch, dass jetzt alle Lehramtsstudien gleich lang sind“, so Pitton. Andererseits sei es ein großes Handicap, dass die Lehrergehälter immer noch so unterschiedlich sind – das führe dazu, dass Männer, die Lehrer werden wollen, dann wenigstens ans Gymnasium wollen, um gut zu verdienen.

Große Gehaltsunterschiede

Thorsten Nelles, Musiklehrer an der Essener Grundschule Am Krausen Bäumchen, sieht das ähnlich: An Grundschulen „bleibt man in Besoldungsgruppe A 12 und kann nicht aufsteigen wie an weiterführenden Schulen“, sagt der 41-Jährige – das sind vom Start weg zwischen 300 und 400 Euro weniger. Und mit dem Aufstieg in die Schulleitung wächst der Gehaltsunterschied weiter an. Das könne den Ausschlag geben, wenn man später eine Familie ernähren wolle. Für ihn gibt es zur Grundschule dennoch keine Alternative. „Es reizt mich, Musik an so junge Kinder weiterzugeben, weil sie noch offen und völlig unverkrampft damit umgehen.“