Washington. Ein neues Buch über die US-Präsidentenfamilie zeigt, wie sich Michelle Obama trotz Widerständen Gehör verschafft. Ehekrach auf dem Flur inklusive. Und auch Madame Bruni spielt eine pikante Rolle.
„Hätte ich das Gesetz nicht durchgeboxt“, sagt Barack Obama und sieht sich dabei zu seiner Frau Michelle um, „dann müsste ich jetzt auf dem Sofa schlafen.“ Die Szene beschreibt ganz gut, worum es Jodi Kantor in ihrem am morgigen Dienstag auch in Deutschland erscheinenden Tiefen-Porträt über Amerikas erstes Ehepaar geht. In „Die Obamas – ein öffentliches Leben“ (Droemer) kommt der „First Lady“ ein politischer Gestaltungsanspruch zu, der vielen bisher verborgen geblieben sein dürfte.
Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hatte seinerzeit eine kleine Grundschule als Ort ausgewählt, um das neue Gesetz über gesunde Kantinen-Mahlzeiten für 31 Millionen Schüler feierlich zu unterzeichnen. Es war, so legt die Star-Autorin der „New York Times“ nahe, vor allem eine Verbeugung vor dem Engagement seiner Frau, die das Projekt unermüdlich vorangetrieben hatte – ein Baustein in ihrem Kampf gegen die Fettsucht in den USA.
Interviews mit über 30 Obama-Mitarbeitern
Die Selbstverständlichkeit, mit der die schwarze Princeton- und Harvard-Absolventin, die erst erfolgreiche Rechtsanwältin und später gut dotierte Krankenhaus-Managerin war, die Arbeit ihres Mannes heute öffentlich flankiert, scheint allerdings eine gegen härteste Widerstände erarbeitete zu sein.
Kantor hat für ihr 400 Seiten starkes, durchweg mit Gewinn zu lesendes Werk Dutzende Interviews mit über 30 aktuellen und ehemaligen Obama-Mitarbeitern aus dem engsten Zirkel geführt. Sie zeichnet minutiös nach, dass sich die „First Mom“, die mit ihren Töchter Sasha und Malia im Volk hohe Sympathiewerte genießt, in der Schlangengrube Washington DC bis heute als Fremdkörper fühlt und ein von den Beraterstäben ihres Mannes lange Zeit ignoriertes Kraftzentrum war.
Mit distanzierter Sympathie für Frau Obama schildert Kantor das Leben zwischen dem West-Flügel (sein Reich) und dem Ost-Flügel des Weißen Hauses (ihr Territorium). Die Verbindungsflure müssen zeitweilig Minenfeldern geglichen haben – kleinere Ehe-Kräche inklusive. Einmal bekommt der frühere Präsidenten-Sprecher Gibbs Wind von einem Buch, in dem Michelle Obama der französischen Präsidenten-Gattin Carla Bruni-Sarkozy gestanden haben soll, das 24 Stunden lang reglementierte Leben im Weißen Haus sei die „Hölle“. Gibbs fürchtet ein mediales Erdbeben. Der Elysée-Palast wird zu einem offiziellen Dementi gedrängt. Michelle Obama, von einer preußischen Disziplin gegen sich und andere durchwirkt, gibt entrüstet zu Protokoll, sie habe so etwas nie gesagt. Und wenn, wäre Madame Bruni die Letzte, die es erführe.
Der Intrigantenstadl Washington
Solche und andere Eklats im gläsernen Käfig „White House“ führten dazu, dass sich die Ururenkelin des Sklaven Jim Robinson oft ohnmächtig gefühlt haben soll. Erst spät schlug sie zurück, war mittelbar am Abgang eines Top-Beraters beteiligt, den schon Hillary Clinton für eine Zumutung hielt. Kantor legt in ihrem Buch herrlich unsentimental den Blick auf eine präsidiale Innenwelt frei, die wenig mit der gewienerten Fassade gemein hat, die ein Heer von Einflüsterern täglich neu errichtet. Bis heute vermissen die Obamas ihre Heimatstadt Chicago und umgeben sich nur mit zwei befreundeten Paaren aus alten Jugendtagen.
Bis heute fremdeln sie mit dem Intrigantenstadl Washington und seinen an kurzfristigsten Geländegewinnen interessierten Abgeordneten und Senatoren. Bis heute ist ihnen die Bereitschaft vieler Medien zum böswilligen Falschverstehen ein Rätsel. Aufgeben kommt aber nicht in Frage. Eine zweite Amtsperiode ist nach dem Wahltag am 6. November erklärtes Ziel – sagt Michelle.