Jerusalem. Ultraorthodoxe Juden haben bei einer Demonstration in Jerusalem gelbe Sterne mit der Aufschrift “Jude“ getragen. Im Dritten Reich waren diese Zeichen Symbole der Ausgrenzung der Juden. Israelische Politiker reagierten empört auf die Aktion der Demonstranten. Diese verteidigten sich.
Mit großer Empörung haben in Israel am Sonntag viele Menschen auf eine Demonstration ultraorthodoxer Juden reagiert. Bei der Kundgebung am Samstagabend trugen viele Teilnehmer einen gelben Stern mit der Aufschrift "Jude", wie er im Dritten Reich zur Ausgrenzung der Juden verwendet wurde. Außerdem waren Kinder in gestreifte Anzüge gekleidet, die an Häftlingsuniformen in deutschen KZs während des Zweiten Weltkriegs erinnerten. Verbände der Holocaustopfer sowie israelische Politiker kritisierten die Verwendung der Symbole scharf.
Mit ihrer Demonstration am Samstagabend wollten die Ultraorthodoxen nach eigenen Angaben gegen die aus ihrer Sicht landesweite Kampagne gegen ihren Lebensstil protestieren. In jüngster Zeit gerieten die Ultraorthodoxen immer stärker in die Kritik, weil einige radikale Gruppierungen ihre Vorstellungen einer richtigen Lebensführung auf zahlreiche Lebensbereiche ausdehnen wollen. So fordern sie beispielsweise Geschlechtertrennung an öffentlichen Orten. Zuletzt demonstrierten zehntausende Israelis gegen die Vereinnahmung des öffentlichen Raums durch die Ultraorthodoxen.
Demonstranten benutzten Nazi-Symbole absichtlich
Die Symbole aus der Zeit des Nationalsozialismus seien absichtlich benutzt worden, sagte Rabbi Izchak Weiss, einer der Organisatoren der Demonstration. Damit sollte gegen die Kampagne der säkularen Medien protestiert werden. "Die Idee war, eine klare und einfache Nachricht rüber zu bringen: 'wilde Aufhetzung gegen die ultraorthodoxe Gemeinde wird nicht toleriert'", sagte er. "Die Hetze der israelischen Medien erinnert an die deutscher Medien vor dem Zweiten Weltkrieg."
Einer der Demonstranten sagte einem israelischen Fernsehsender, seine Gemeinde fühle sich von der israelischen Führungsschicht verfolgt. Was mit ihnen gemacht werde, sei ein spiritueller Holocaust, sagte er.
Breite Ablehnung
Die Holocaust-Gedenkstätte Jad Waschem bezeichnete den Protest als "beschämend" und auch mehrere andere Opferverbände und Politiker verurteilten die Verwendung der Nazi-Symbole. Der Holocaust und seine Symbole dürften nicht für Auseinandersetzungen innerhalb der israelischen Gesellschaft benutzt werden, sagte Mosche Sanbar, Vorsitzender einer Dachorganisation israelischer Holocaustüberlebender. "Das beschädigt das Gedenken an den Holocaust."
"Das ist eine schreckliche Beleidigung des Gedenkens an die Holocaustopfer, die unabhängig davon, ob sie säkular, gläubig oder ultraorthodox waren, gezwungen waren, den gelben Stern im Ghetto auf dem Weg zu ihrer Auslöschung zu tragen. Es gibt keine Demonstration auf der Welt, die das rechtfertigen kann", sagte die israelische Oppositionsführerin Tzipi Livni. Verteidigungsminister Ehud Barak nannte die Darstellung "schockierend und angsteinflößend". Damit sei eine rote Linie überschritten worden.
Eine US-Dachorganisation von Holocaustüberlebenden und ihren Nachfahren teilte mit, man sei besonders darüber erbost, dass Kinder in KZ-ähnliche Uniformen gesteckt worden seien. Damit sei das Gedenken an alle jüdischen Opfer beschmutzt worden, teilte Vizepräsidentin Elan Steinberg mit. Im Nationalsozialismus sei kein Unterschied zwischen ultraorthodoxen, traditionell gläubigen oder ungläubigen Juden gemacht worden. Der gelbe Stern habe jeden als Opfer des mörderischen Treibens markiert.