Nürnberg. Weil er über Jahrzehnte Sex mit seiner Tochter hatte und mit ihr drei Söhne zeugte, ist ein 69-Jähriger zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Den Vergewaltigungsvorwurf gegen den Rentner ließ das Gericht jedoch fallen. Es habe sich um “einvernehmlichen Geschlechtsverkehr“ gehandelt, so die Richter.
Überraschende Wende in dem Aufsehen erregenden Inzestfall aus Mittelfranken: Das Landgericht Nürnberg-Fürth ließ im Prozess gegen einen 69 Jahre alten Rentner am Montag den Vorwurf der hundertfachen Vergewaltigung seiner Tochter fallen. Wegen Beischlafs unter Verwandten sowie Nötigung verurteilte das Gericht den Mann dennoch zu zwei Jahren und acht Monaten Haft - er hatte mit seiner Tochter drei Söhne gezeugt.
Die Staatsanwaltschaft hatte Adolf B. die Vergewaltigung seiner Tochter in rund 500 Fällen zur Last gelegt und vierzehn Jahre Haft sowie die anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Nach Auffassung der Anklage hatte B. seine heute 46 Jahre alte Tochter Renate über einen Zeitraum von 34 Jahren regelmäßig vergewaltigt, wobei die mehr als zwanzig Jahre zurückliegenden Fälle verjährt sind, darunter auch jene, nach denen die Tochter schwanger wurde. Von den behindert zur Welt gekommenen drei Söhnen starben zwei im Kleinkindalter.
Es stand Aussage gegen Aussage
Die Staatsanwaltschaft ließ am Montag zunächst offen, ob sie gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen wird. Dagegen sagte der Verteidiger von Adolf B., sein Mandant akzeptiere das Urteil. Der Verteidiger hatte die Tochter von Prozessbeginn an als unglaubwürdig dargestellt.
Der Vorsitzende Richter Günther Heydner folgte in seinem Urteil der Auffassung der Verteidigung. Wie bei den meisten Sexualdelikten habe auch in diesem Fall Aussage gegen Aussage gestanden. Für solch eine Situation habe der Bundesgerichtshof als eines der wichtigsten Kriterien festgelegt, dass die Aussagen des Tatopfers in den Vernehmungen konstant sein müssen. Renate B. habe sich aber in ihren Vernehmungen an vielen Stellen widersprochen. "Wir hätten nicht begründen können, wie wir da die für die Rechtsprechung erforderliche Konstanz herbringen sollten", sagte Heydner.
Die Tochter war unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen worden. Laut Heydner stellte sie in ihren Vernehmungen durch die Polizei, durch einen Ermittlungsrichter und im Hauptverfahren sowohl den ersten Geschlechtsverkehr als auch den letzten Verkehr vor der Festnahme des Vaters jeweils anders dar.
Tatnachweis nicht begründet
So habe sie bei der angeblichen ersten Vergewaltigung, die im Alter von zwölf Jahren geschehen sein soll, bei der Polizei ausgesagt, dass ihr Vater sie zum Ausziehen aufgefordert habe und sich dann auf sie gelegt habe. In einer weiteren Vernehmung habe sie dann ausgesagt, dass er sie geschlagen habe und die Mutter dabei gewesen sei. Und vor Gericht habe sie schließlich zum ersten Mal gesagt, dass sie nach dem Verkehr eine Blutung gehabt habe. Ähnlich unterschiedliche Darstellungen gab es demnach vom letzten Verkehr, der Anfang März stattgefunden hatte.
"Bei einem solchen Aussageverhalten, dass sich in entscheidenden Gesichtspunkten von Fall zu Fall ändert, konnten wir keinen Tatnachweis begründen", sagte Heydner. Es sei nicht möglich gewesen, den Schluss zu ziehen, dass die Tochter tatsächlich mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr gebracht worden sei.
Dem Gericht gehe es aber nicht darum, der Tochter etwas anzulasten. So sei diese gerade als junges Mädchen Opfer sexueller Übergriffe des Vaters geworden. Der Richter verwies allerdings auch darauf, dass die Tochter von den jahrzehntelangen Übergriffen erst erzählt habe, nachdem ihre Eltern ihr klar gemacht hätten, dass sie nicht alleinige Erbin des Hauses der Familie sei. (afp)