Hagen/Siegen/Arnsberg. .

Stuttgart 21 wird gebaut - und teuer: 4,1 Milliarden Euro, Stand heute. Der Fahrgastverband Pro Bahn fürchtet, dass zahlreiche Bahnprojekte in Nordrhein-Westfalen darunter leiden werden, denn Geld, das in Stuttgart vergraben wird, fehlt hier.

Vor allem drei Großprojekte an Rhein und Ruhr bereiten dem Pro-Bahn-Experten Lothar Ebbers Sorge. Er nennt den Rhein-Ruhr-Express, die schnelle Nahverkehrsverbindung zwischen Dortmund und Köln, „in Verbindung mit Dortmund-Münster“, gemeint ist der zweispurige Ausbau dieses Nadelöhrs im deutschen Schienennetz. Dann die Betuwe-Linie, der dreigleisige Ausbau von Oberhausen nach Emmerich für den Güterverkehr, und schließlich Köln - Aachen. Nur für die Betuwe-Strecke gebe es eine Finanzzusage des Bundesverkehrsministers, für die anderen beiden Projekte nicht. Was sie mindestens verzögern wird. Das liege auch an Stuttgart 21, sagt Ebbers, auch wenn die Befürworter die Kosten für den Bund und die Deutsche Bahn gerade kleinrechnen, indem sie die Milliarden auf zehn Jahre Bauzeit aufteilen.

Auch im NRW-Wirtschaftsministerium fürchtet man den Mittelabfluss nach Baden-Württemberg: Minister Voigtsberger mahnt: „Die Tatsache, dass Stuttgart 21 jetzt gebaut wird, darf keinesfalls negativen Folgen für NRW haben.“

Ebbers denkt indes nicht nur in Großprojekten. In Südwestfalen fällt ihm als wichtigstes Projekt der Ausbau der Ruhr-Sieg-Strecke ein. Die Tunnel müssten erweitert werden, sagt Ebbers, „damit auch moderne Container-Züge durchpassen. Das ist für die Wirtschaft ganz wichtig.“ Auch ein drittes Gleis an dieser Strecke für den Güterverkehr hält Ebbers für sinnvoll, „das würde die Rheinstrecke entlasten, aber neben zusätzlichem Quellverkehr auch mehr Durchgangsverkehr bedeuten“, warnt er.

Die meisten Bahnhöfe an der Ruhr-Sieg-Strecke sind übrigens in den vergangenen Jahren saniert worden. Das aber, moniert der Pro-Bahn-Mann, sei überwiegend aus Mitteln des Landes geschehen. Ebbers sieht den finanziellen Einsatz des Landes mit gemischten Gefühlen. So beteiligt sich NRW zu gut einem Drittel an den Kosten für die Betuwe-Linie - aus Regionalisierungsmitteln, die doch für den Nahverkehr gedacht sind. Auch Stuttgart 21 basiert auf einem solchen Finanzkonstrukt. Ebbers schwant Böses: „Wenn eine Finanzierungszusage des Bundes erst dann zustande kommt, wenn sich das Land in größerem Umfang beteiligt, sehe ich schwarz für NRW.“

Auch auf der Oberen Ruhrtalbahn sieht Ebbers Investitionsbedarf: Die Strecke müsse dringend modernisiert werden, „da steht noch uralte Technik herum“, sagt er und denkt etwa an die Signalanlagen. Dazu gebe es viele Strecken, die elektrisiert werden müssten, etwa Dortmund - Iserlohn, und manch eingleisige Linie, die ein zweites Gleis zumindest abschnittsweise vertragen könnte. „Es gibt viele Wünsche“, sagt Ebbers.

Einen Vorteil sieht Ebbers für NRW: Mit wenig Geld ließe sich hier viel erreichen, auch bei den Großprojekten, denn diese könnten - anders als Stuttgart 21 - in Teilabschnitten umgesetzt werden „und liefern so schon eine Menge Verkehrswert. Damit müssten wir wuchern“.

Die NRW-Abteilung der Deutschen Bahn wollte sich zum Thema nicht äußern. Die Anfrage dieser Zeitung wurde unkommentiert nach Stuttgart weitergereicht - an das Kommunikationsbüro Stuttgart 21, in dem sich die Projektpartner zusammengetan haben. Und das hält die Frage, was NRW mit den Stuttgart-21-Milliarden anfangen könne, für „hypothetisch und spekulativ: Ohne Stuttgart 21 gäbe es das Geld doch gar nicht“.