Washington. . Ein bizarrer Streit innerhalb der Religionsgemeinschaft der Amish beschäftigt derzeit die US-Ermittler. Das FBI hat jetzt sieben Verdächtige festgenommen, die zu einer Splittergruppe gehören. Sie sollen Männern und Frauen Bärte und Haare abgeschnitten haben. Für die Amish ein schmerzlicher Verlust.
Fortschritt im Steit um den Bartklau-Fall unter Amish: Am Mittwoch nahm die Bundespolizei (FBI) im Bundesstaat Ohio den Führer einer Splittergruppe, Samuel Mullet, sowie seine drei Söhne, einen Schwiegersohn und zwei Anhänger unter dem Verdacht fest, in brutalen Strafexpeditionen Glaubensbrüdern und -schwestern die Bärte und Haare abgeschnitten zu haben. Für die Opfer sind die Taten die größte Demütigung: Bärte sind bei den Amish Zeichen ihrer Würde, nach der Hochzeit dürfen sie nicht mehr abgeschnitten werden.
Der inzwischen 66-jährige Mullet lebt seit 1995 mit seinen Anhängern in dem abgelegenen Dorf Bergholz. Zeugenaussagen zufolge ist er seit 2003 Führer - oder Bischof - des dortigen Amish-Clans. Als zwei Jahre später mehrere Familien im Streit um seinen Führungsstil ausschieden, exkommunizierte er sie - musste aber später miterleben, wie seine Entscheidung bei einem Treffen von rund 300 Amish-Führern in Ulysses (Pennsylvania) wieder rückgängig gemacht wurde. Offenbar wurden die Bartschneide-Aktionen aus Rache verübt: Unter den Opfern war auch einer der sieben Bischöfe, die an dem Urteil gegen Mullet beteiligt waren. Bei ihren nächtlichen Attacken mit Scheren und elektrischen Haarschneidern gingen dessen Angreifer offenbar mit großer Brutalität vor.
Jede Form von Rache ist verboten
Die Angriffe schockierten die pazifistische Amish-Gemeinschaft, der jede Form von Rache verboten ist, zutiefst. Im Rahmen ihrer Ermittlungen stellten die FBI-Ermittler nach eigenen Angaben fest, dass Mullet ähnlich wie ein Sektenführer über seine Gemeinschaft herrschte: Anhänger, die sich ihm widersetzten, wurden demnach tagelang im Hühnerstall eingesperrt oder verprügelt. Mit verheirateten Glaubensschwestern soll er Sex gehabt haben, um sie „vom Teufel zu reinigen“. An den Bartschneide-Aktionen soll er sich nicht beteiligt, sie nach Aussage eines seiner Söhne aber angeordnet haben. Ihm und seinen Mitbeschuldigten drohen nun im Höchstfall lebenslängliche Haft.
Die Amish sind Angehörige einer Täufergemeinschaft, die im 18. und 19. Jahrhundert aus Europa in die USA auswanderte. Die Gemeinschaft zählt inzwischen rund 260.000 Mitglieder. Am bekanntesten sind sie dafür, dass sie die meisten Aspekte des modernen Lebens ablehnen: Sie leben ohne Elektrizität und bewegen sich allenfalls auf Pferdewagen fort. Viele sprechen noch einen Dialekt, der seinen Ursprung im Deutschen hat. (afp)