Mexiko Stadt.. Die Gruppe „Anonymous“ droht den brutalen Drogenbossen: Die Internet-Aktivisten wollen in Mexiko die neue Kampfeinheit gegen die Kartelle werden - weil es die traditionellen Medien nicht wollen oder nicht können und viele Polizisten und Politiker korrupt .
Mexikos Drogenkrieg verlagert sich zunehmend ins Internet. Schon seit Monaten berichten Blogger und Twitterer in sozialen Netzwerken über Gefechte und Gemetzel, weil es die herkömmlichen Medien nicht können oder wollen. Oft bezahlen die Netz-Aktivisten ihr Tun mit dem Leben. Denn „Internetpetzer“ mögen die mexikanischen Mafias überhaupt nicht.
Seit dieser Woche ist eine ungewöhnliche Front im Cyberkrieg eröffnet. Neu ist, dass dieses Mal die Kartelle selber bedroht werden. Die Hackergruppe Anonymous hat eine in Form und Inhalt beachtliche Botschaft an die „Zetas“ gerichtet, das brutalste mexikanische Kartell, gegründet von ehemaligen Elitesoldaten. In einem Video fordert ein Mann hinter der bekannten Anonymous-Maske die Zetas auf, ein im Bundesstaat Veracruz entführtes Mitglied der Gruppe freizulassen. „Wir können uns nicht mit Waffen verteidigen. Aber wir können es mit Ihren Autos, Bars oder Häusern. Es wird nicht schwer sein. Wir wissen, wer sie sind und wo sie sind“, sagt eine künstliche Stimme mit einem spanischen Akzent.
Andernfalls würden die Cyberkämpfer detaillierte Angaben über Verbindungen des Kartells zu Politikern, Polizisten, Journalisten und sogar Taxifahrern veröffentlichen. Die Aktivisten stellen den Zetas ein Ultimatum. Sollte der Aktivist bis zum Samstag nicht frei sein, wollen sie Fotos, Namen und Adressen derer bekannt machen, die mit dem organisierten Verbrechen zusammenarbeiten. „Operation Kartell“ hat Anonymous das Projekt getauft. Die „New York Times“ zitiert eine anonyme Quelle aus der Hackerszene, die aussagt, Anonymous sei im Besitz der Namen von rund einhundert Zetas-Kontakten, darunter Staatsdiener und gewöhnliche Kollaborateure.
Der Staat hat versagt
Die Drohung sei durchaus ernst zu nehmen, schreibt die auf Drogenthemen spezialisierte Sicherheitsfirma Stratfor. Und sie dürfte für große Angst unter denjenigen sorgen, die auf der Lohnliste der Zetas stehen. Denn wer geoutet ist, dem droht bestenfalls die Festnahme durch die Polizei. Andernfalls der Tod durch ein konkurrierendes Kartell oder die Zetas selbst, um belastende Aussagen zu vermeiden.
Aber den Urhebern des Videos geht es offensichtlich nicht nur um die Freilassung ihres Kollegen. Sie machen in ihrer Botschaft deutlich, dass sie sich als eine neue Kampfeinheit gegen die Kartelle in Mexiko verstehen. Speziell an die Zetas gerichtet sagen sie: „Beendet Euer Terrorregime. Wir wissen, dass wir unser Leben aufs Spiel setzen, aber wir ziehen es vor, aufrecht zu sterben, als auf Knien zu leben. Wir wissen nicht, wer oder was in Wahrheit hinter Euch steht. Aber glaubt uns: Wir werden es herausfinden. Wir irren uns fast nie.“
Feldzug seit fünf Jahren
In Veracruz war bereits vor einigen Wochen eine paramilitärische Gruppe unter dem Namen „Mata-Zetas“ an die Öffentlichkeit gegangen und kündigte an, die Mafiabande in dem Bundesstaat zu bekämpfen. Experten für organisierte Kriminalität wie Edgardo Buscaglia sehen in diesem Auftauchen neuer Gruppen den Versuch, den Kampf gegen die Drogenmafias in die eigenen Hände zu nehmen, weil der Staat in seiner Politik weitgehend versagt hat. „Sie unterstützen den überforderten Staat und seine Sicherheitskräfte gegen bestimmte Verbrecherbanden“, betont Buscaglia, Chef des International Law and Economic Development Centre.
Mexikos Präsident Felipe Calderón führt seit fünf Jahren einen Feldzug gegen die Kartelle und wirft dabei Zehntausende von Soldaten und Polizisten in die Schlacht.