Hamburg.. Der Prozess gegen Reemtsma-Entführer Thomas Drach hat mit einer Überraschung begonnen: Der Angeklagte sträubte sich gegen die Fahrt ins Gericht. Der Grund: Er sollte eine Sichtschutzbrille tragen. Auch den Vorwurf der Erpressung streitet er vehement ab.
Thomas Drach, der Entführer des Multimillionärs Jan Philipp Reemtsma, hat zum Auftakt seines neuen Prozesses den Vorwurf der Erpressung bestritten. Drach bestätigte am Donnerstag in Hamburg, die ihm zur Last gelegten Briefe geschrieben zu haben. Er widersprach allerdings dem Anklagepunkt, damit versucht zu haben, seinen eigenen Bruders um 30 Millionen Euro zu erpressen. Das Urteil wird Ende Oktober erwartet.
Zuvor hatte Drachs Anwalt Helfried Roubicek in einer 45-minütigen Erklärung begründet, warum seiner Einschätzung nach kein hinreichender Tatverdacht besteht. Der Verteidiger beantragte die Einstellung des Verfahrens.
Drach bezeichnet Verfahren als "albernes Theater"
In der zu Verhandlungsbeginn verlesenen Anklageschrift warf Oberstaatsanwalt Karsten Hoffmann Drach vor, aus dem Gefängnis heraus einen Freund zu der räuberischen Erpressung seines Bruders angestiftet zu haben. Laut Staatsanwaltschaft sollte der Bekannte nach den Planungen des Angeklagten binnen sechs Monaten von Lutz Drach 30 Millionen Euro erpressen. Zu der Tat kam es nicht, weil Justizbeamte entsprechende Briefe abfingen und an das Landeskriminalamt weiterleiteten.
Als Motiv sieht die Anklage das Ringen um das millionenschwere Lösegeld aus der Reemtsma-Entführung von 1996. Drach bezeichnete das aktuelle Verfahren als "albernes Theater". Es gehe um familiäre Angelegenheiten. Sein Bruder habe sich nicht an eine Absprache gehalten. Worum es dabei ging, werde das Gericht jedoch nicht erfahren: "Das haben Sie in den 15 Jahren nicht erfahren, und das werden Sie auch heute nicht erfahren."
Tragen von Sichtschutzbrille verweigert
Gleich zu Beginn hatte der Prozess wegen Nichterscheinens des Angeklagten zunächst unterbrochen werden müssen. Der 51-jährige Schwerkriminelle hatte seine Anwesenheit vor Gericht verweigert. Grund war die Anordnung, dass er für den Transport aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder zum Gericht eine Sichtschutzbrille tragen sollte. Die sogenannte Schlafbrille sollte verhindern, dass Drach den Weg erkennen konnte.
Aufgrund von Drachs Weigerung beantragte die Justizvollzugsanstalt die Zwangsvorführung des Angeklagten. Nach einer 25-minütigen Beratung gab das Gericht diesem Antrag statt, sodass die Verhandlung daraufhin mittags fortgesetzt werden konnte.
"Es grenzt an eine gewisse Menschenunwürdigkeit"
Drachs Verteidiger sprach von maßloser Überzogenheit in Bezug auf die Schlafbrille. Dies sei bei seinem Mandanten noch nie angeordnet worden: "Es grenzt an eine gewisse Menschenunwürdigkeit", sagte Roubicek.
Die Vorsitzende Richterin Ulrike Taeubner sagte unter Berufung auf den Leiter des für den Transport zuständigen Spezialeinsatzkommandos (SEK), Drach habe während seiner Fahrten stets eine Sichtschutzbrille aufsetzen müssen. Der Angeklagte sei nach Einschätzung der Kammer "ohne genügend Entschuldigungen" nicht zur Hauptverhandlung erschienen, begründete Taeubner den Beschluss des Gerichts zur Zwangsvorführung.
Reemtsma war am 25. März 1996 auf seinem Grundstück entführt und 33 Tage lang als Geisel gehalten worden. Thomas Drach war nach Jahren der Flucht 1998 in Argentinien festgenommen und 2001 in Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. In der Folge hatte sich seine Haftstrafe wegen zwei weiterer Verurteilungen um mehrere Monate verlängert. (dapd)