Mainz. . In einer toten Amsel ist ein tropisches Virus gefunden worden. Forscher gehen davon aus, dass das Virus für ein massenhaftes Vogelsterben in Süddeutschland verantwortlich ist. Das Beunruhigende: Das Virus ist auf den Menschen übertragbar.

Das rätselhafte Amselsterben im Südwesten wird offenbar von einem auch für Menschen gefährlichen Tropenvirus verursacht. Das Hamburger Tropeninstitut fand in einem toten Exemplar aus dem hessischen Birkenau den aus Afrika stammenden Usutu-Erreger, wie die Einrichtung am Mittwoch mitteilte. Bisher sind keine Infektionen von Menschen in Deutschland bekannt. Vogelexperten sehen deshalb keinen Grund zur Panik.

Virologe Jonas Schmidt-Chanasit hält den Befund dennoch für „alarmierend“. Denn das Usutu-Virus, verwandt mit dem bekannten West-Nil-Virus, sei auf Menschen übertragbar. Er erwarte allerdings in Deutschland keine Epidemie, fügte der Tropenmediziner hinzu. Die erste Infektion eines Menschen mit dem Virus sei 2009 in Italien bekannt geworden. Patienten klagten über Fieber und Kopfschmerzen, schlimmstenfalls drohe eine Gehirnentzündung. Betroffen seien vor allem geschwächte und ältere Menschen.

Auch andere Vogelarten gefährdet

In Deutschland sei das Usutu-Virus nun erstmals bei Vögeln nachgewiesen worden, sagte die Sprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit, Elke Reinking, auf dapd-Anfrage. Vor einem Jahr hätten Forscher das Virus bereits im Raum Heidelberg in Stechmücken entdeckt. Nicht nur Amseln seien gefährdet, sondern auch andere Vogelarten wie Sperlinge und Finken. Weitere Untersuchungen müssten nun zeigen, ob und wie weit sich das Virus ausgebreitet habe.

Seit Wochen mehren sich Meldungen von einem rätselhaften Vogelsterben in der Rhein-Neckar-Region. Das Phänomen ist nicht neu in Europa: Erstmals trat es in Österreich 2001 und 2003 auf, dann 2006 in Italien, Ungarn und der Schweiz.

„Wir hatten damals das Usutu-Virus eindeutig als Ursache der Epidemie identifiziert“, sagte Herbert Weissenbröck von der Uni Wien. Sicher sei es auch in Deutschland für das Amselsterben verantwortlich. Übrigens sei das 2010 in Heidelberg aufgetauchte Virus vom gleichen Typ gewesen wie in Österreich, sagte der Pathologe.

Experte: Herbstkälte bremst Epidemie, Rückkehr aber möglich

Für diesen Herbst ist in Deutschland laut Weissenbröcks Prognose jedoch keine verheerende Epidemie mehr zu befürchten. Der Usutus-Erreger benötige zur raschen Vermehrung nämlich ein heißes und trockenes Klima. Allerdings könne er überwintern. Wie seinerzeit in Österreich müsse daher in Deutschland mit der Rückkehr des Virus in den kommenden beiden Jahren gerechnet werden.

In Österreich indes bleiben die Wildvögel laut Weissenbröck mittlerweile von dem Erreger nahezu verschont. „Dortige Populationen bildeten Antikörper und sind inzwischen immun“, erläuterte Weissenbröck.

Die staatliche Vogelschutzwarte für Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland warnt unterdessen vor Panikmache. Vizechef Martin Hormann sagte zu dapd, für eine seröse Einschätzung müssten noch mehr Vogelkadaver obduziert werden. Er wies zudem darauf hin, dass Amseln nach der Brutzeit im August und September naturgemäß ruhiger seien. „Laien können das als Beleg für ein vermeintliches Amselsterben missverstehen“, sagte er. (dapd)