Essen. . Sie vermissen den Sommer? Warum nur? Das Schmuddelwetter hat viele Vorteile: Die Natur freut sich, Kranke atmen auf, und Hüte sind sowieso gerade in Mode.
Es wird jemand vermisst. Ihnen wird es auch schon aufgefallen sein, dass er fehlt: der Sommer. Wann er zuletzt gesehen wurde? Ist lange her. Wie er aussieht? Wissen wir nicht mehr. Aber so schlimm ist das gar nicht. Denn es geht auch ohne ihn. Hier die Beweise:
Die Natur: Sie freut sich über Regen. Laubbäume und andere Pflanzen erleben eine stressfreie Zeit. Laut Dr. Heidrun Heidecke, Naturschutzexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz, werden uns gerade die großen Bäume als kleines Dankeschön lange mit einem üppigen Blattwuchs erfreuen. Es ist also nicht damit zu rechnen, dass sie uns schon früh im Jahr verdorrt und völlig schlapp am Ast welke Blätter vor die Füße werfen. Auch die Tiere sind aus dem Häuschen: „Vor allem Amphibien finden das nasse Wetter super“, sagt Heidecke. Manche geraten geradezu in Wallungen und fallen übereinander her: „Selbst in größeren Pfützen schwimmen Kaulquappen herum, weil die Kröten noch einmal Eier abgelegt haben.“
Die Mode: In diesem Jahr läuft nichts oben ohne – oben ohne Hut. Das hat sich schon bei der Hochzeit von Prinz William und Kate abgezeichnet. So viele Hüte auf den Köpfen der Hochzeitsgesellschaft, dass sie Außenstehenden fast den Blick aufs Brautpaar versperrt haben. Vor allem Stroh- und Schlapphüte liegen im Trend. Was man daran erkennt, dass sie es sowohl auf das Haupt von Kate Moss als auch in die Auslage von H&M geschafft haben. Praktisch bei Regenwetter sind Hüte allemal, weil sie Frisurprobleme verheimlichen.
Weiterer Vorteil des Nicht-Sommers: Keiner sieht, dass der Bikini schon wieder nicht passt.
Die Gesundheit: Mal abgesehen von dem hochsommerlichen Geschwitze, das jetzt bei vielen Menschen entfällt, tun die kühleren Temperaturen gerade Kranken gut. Dr. Christoph Hanefeld leitet den Rettungsdienst in Bochum, er sagt: „Ganz vielen Patienten mit chronischen Erkrankungen, mit Herzschwäche oder Bluthochdruck kommt es entgegen, wenn es nicht so heiß ist.“ Über Regen freuen sich Allergiker und Asthmatiker: „Hauptsache, die Pollen fliegen nicht.“ Bettlägerige, Hochschwangere oder alte Menschen atmen ebenfalls erleichtert die frische Luft ein. Bilanz des Rettungsdienstes: weniger Kreislauf-Kollaps- und Sonnenstich-Einsätze.
Die Psyche: Wenn’s plätschert, wird geplappert. Die Leute haben Gesprächsstoff. Wetter ist überall, also kann jeder seinen Senf dazugeben. Das ist unterhaltsam. Ein lustiger Vogel hat im Internet-Netzwerk Facebook die Gruppe „Arsch abfrieren im Juli“ gegründet – bis gestern Nachmittag hatten sich schon über 67 000 Mitglieder angeschlossen.
Wir können übrigens alle ganz entspannt bleiben. Psychologen beruhigen, dass Regen keine bleibenden Schäden hinterlässt. Wer übers Wetter meckert, habe einfach einen Grund gefunden, Dampf abzulassen, wenn er ohnehin übel gelaunt ist. Dass die Stimmung dauerhaft ähnlich düster wie ein Schmuddelwetter wird, komme aber nicht vor.
Die Musik: Diese quälenden Lieder, die so tief ins Ohr kriechen, dass sie dort nie wieder rauskommen, bleiben uns erspart. Zumindest so lange wir uns vom Ballermann fern halten. Aus unerfindlichen Gründen werden sie ja Sommerhits genannt. Aber, mal ehrlich, eigentlich waren Kaoma, Lou Bega, Los Del Rio oder Las Ketchup doch eher ein Sommerwitz.
Der August 2010 war auch nicht besser
Und außerdem: Ist der Juli 2011 zwar zu kalt und zu nass gewesen, aber dafür war der Juni in Deutschland im Schnitt sogar 1,2 Grad wärmer als sonst. Gerhard Müller-Westermeier vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach sagt: „Wenn die restlichen Wochen wieder normal ausfallen, ist dieser Sommer nicht besonders auffällig.“ Und früher war ja auch nicht alles besser. Zum Beispiel im vergangenen Jahr. Da waren zwar der Juni und der Juli sehr schön, dafür war aber der August nass wie nie.
Am Ende noch die schlechte Nachricht: Ab Montag soll es wärmer und sonniger werden. Hilfe, der Sommer kommt. Rette sich, wer kann!