Paris. Was Schweden schon praktiziert, will nun auch Frankreich umsetzen: Knöllchen für Sex-Dienstleistungen. Bis zu 3000 Euro Geldstrafe sowie eine bis zu sechsmonatige Gefängnisstrafe sieht ein Gesetzesentwurf vor.

„Frankreich will Freier bestrafen“ – allein schon die anhaltende Spekulation über diesen drakonischen staatlichen Eingriff zeigt in den letzten Tagen Wirkung. Prostituierte der französischen Hauptstadt berichten übereinstimmend, dass selbst Stammkunden neuerdings einen weiten Bogen um die einschlägig bekannten Orte des Pariser Sex-Gewerbes machten.

Die Angst, erwischt zu werden und für sexuelle Dienstleistungen doppelt bezahlen zu müssen, ist groß. Wahrscheinlich noch größer ist die Sorge, die Ehefrau könnte durch einen delikaten Sex-Strafzettel in der Post Wind von den erotischen Abenteuern bekommen.

Schweden sorgte 1999 für Schlagzeilen, weil es weltweit als erstes Land eine Strafe für Freier einführte. Jetzt ist Frankreich an der Reihe. Eine Kommission der französischen Nationalversammlung legt am Mittwoch ihren Bericht vor, der in die umstrittene Freier-Bestrafung mündet. Schon 2012 könnte im französischen Sex-Gewerbe eine neue Ära beginnen. Sie wäre so einschneidend wie die Zäsur von 1946, als das Gesetz „Marthe Richard“ zur Schließung aller „Freudenhäuser“ führte.

„80 Prozent der Prostituierten sind Opfer“

Sozialministerin Roselyne Bachelot zählt zu den vehementesten Unterstützerinnen der geplanten Freier-Bestrafung. Bis zu 3000 Euro sowie eine bis zu sechsmonatige Gefängnisstrafe sieht ein möglicher Gesetzesentwurf vor. „Es gibt keine freie, selbst gewählte oder einvernehmlich verabredete Prostitution“, sagt die gaullistische Politikerin. Der Erwerb eines Geschlechtsaktes sei nur möglich, weil der weibliche Körper dem Manne zur Verfügung gestellt werde. Prostitution sei ein Angriff auf die Würde und Freiheit der Frau, so Bachelot.

Der Bericht der Parlamentskommission weist daraufhin, wie dramatisch sich Prostitution in Frankreich in den letzten 20 Jahren verändert hat. Sie basiere heute größtenteils auf Menschenhandel. „80 Prozent der Prostituierten sind Opfer“, heißt es in dem Bericht. Deshalb solle sich jeder Kunde einer Prostituierten darüber im Klaren sein, dass er womöglich Menschenhandel und Zwangsprostitution fördere.

Große Nachfrage nach käuflicher Liebe

In Paris, der vielbesungenen Hauptstadt der Liebe, spielt sich bezahlter Sex trotz des Bordellverbots in aller Öffentlichkeit ab. Prostituierte bieten sich auf dem Straßenstrich an, etwa an der Porte Saint-Denis oder im Bois de Boulogne, auch die hinteren Seiten des Szenemagazins „Pariscope“ sind zugepflastert mit einschlägigen Kontaktanzeigen.

Das ist zugleich ein Indiz dafür, wie groß die Nachfrage nach käuflicher Liebe ist. So überrascht es nicht, dass sich Gegner einer Freier-Bestrafung bereits lautstark zu Wort melden. Der Schauspieler Philippe Caubère gab gegenüber der Zeitung „Le Parisien“ zu, regelmäßig die Dienste von Escort-Girls zu genießen. Er finde das Gesetz schlichtweg „widerlich“ und sagt: „Der Staat mischt sich in Dinge ein, die ihn nichts angehen.“ Zwangsprostitution ließe sich schon jetzt wirksam bekämpfen, weil die Polizei wisse, in welchen Quartieren Frauen systematisch ausgebeutet würden. Französische Prostituierten-Organisationen haben kürzlich für die Aufhebung des Bordell-Verbots und die Legalisierung ihres Gewerbes demonstriert. Einige befürchten nun, dass Prostituierte durch die Kriminalisierung von Freiern nicht geschützt, sondern im Gegenteil noch weiter in die Illegalität gedrängt werden könnten.