London. . Zeigen Deutsche und Amerikaner den Briten, wie man eine königliche Hochzeit so richtig feiert? Im Moment sieht es fast so aus. Denn die Partylaune lässt in London auf sich warten. Nun macht der Premierminister den Briten Dampf.
Irgendetwas ist faul im Staate Großbritannien, findet Premier David Cameron. An allen Ecken laufen Vorbereitungen für die prunkvolle Adelshochzeit der Windsors, doch beim Volk will sich partout keine Vorfreude einstellen. „Kommt endlich in die Gänge und habt Spaß“, lautet nun die ungewöhnliche Anweisung des Regierungschefs. Selbst den Ordnungsämtern will er am 29. April frei geben.
Dass Briten zum Feiern einen Party-Befehl brauchen, dürfte jeden überraschen, der auch nur flüchtige Bekanntschaft mit der Insel geschlossen hat. Doch die sonst so fröhlichen Untertanen blicken geradezu apathisch auf den 29. April. Milder Enthusiasmus, ein Fünkchen Vorfreude, irgendwo? Fehlanzeige! Stattdessen droht ein mittelschwerer Affront: Scharen von Deutschen und US-Touristen könnten die lustlosen Untertanen wie fade Spielverderber aussehen lassen – und das bei einer Märchenhochzeit in der eigenen Hauptstadt.
Nostalgische Erinnerung an Dianas Hochzeit
„Kommt zusammen, hängt Girlanden auf und organisiert einen Tag, an den sich alle gern erinnern“, warb Cameron einigermaßen verzweifelt, „stellt am Hochzeitstag eine Straßenparty auf die Beine – das tue ich auch.“ In der Tat verwandelt Gattin Samantha die Downing Street am 29. April in eine Sackgasse, in der sich die Nachbarn bei Eis, Bratwurst und einem kühlen Ale freuen können, dass ihr Prinz William endlich unter der Haube ist.
Doch bisher liegen den Stadtverwaltungen in England und Wales insgesamt nur 4000 Anträge für Nachbarschaftsfeste an dem Tag vor – ein betrüblicher Bruchteil, verglichen mit den Partys, die die Untertanen vor 30 Jahren bei der Hochzeit von Charles und Diana auf die Beine gestellt haben. Da flatterten bunte Girlanden zwischen den engen Reihenhäusern, räumten Nachbarn Campingtische auf die Straße und stärkten sich an einer hastig selbstgezimmerten „Bar Elizabeth“. Vom Kuchenbüfett schwärmt mancher Nostalgiker heute noch mehr als von Dianas Brautkleid. Lust und Zeit, den Brauch wiederzubeleben, hat 2011 kaum noch jemand.
Drei Urlaubstage nehmen, zehn Tage frei haben
Vier von fünf Briten sei die Adelshochzeit schlicht egal, will die monarchiekritische Organisation „Republic“ erhoben haben. Selbst neutralere Meinungsforscher kommen auf eine knappe Mehrheit von Desinteressierten. Wenn überhaupt, dann holt das Riesenereignis die Briten für einen Kurztrip von der Couch: Mit nur drei Urlaubstagen zwischen Ostern und dem Hochzeitsfeiertag kommen sie auf zehn freie Tage am Stück. Enthusiastischen Touristen fällt es da sicher nicht schwer, London zu erobern: Die Einheimischen werden lange vor dem 29. April geflohen sein.
Straßenpartys wie die in Cardiff, wo alle Frauen im Viertel ihre alten Hochzeitskleider tragen dürfen, sind allerdings auch aus ganz praktischen Gründen rar. In den 30 Jahren seit der letzten Traumhochzeit hat sich in Großbritannien viel getan: Familien mit Kindern wohnen kaum noch in Stadtzentren, sondern in anonymen Vororten. Rührige Ehrenamtliche, die den Organisationsaufwand schultern würden, sind seltener geworden – und die Ordnungsämter strikter. Dass heute Erste Hilfe organisiert werden, Selbstgebackenes allergenfrei und bei Eltern eine Genehmigung für Kinder-Fotos eingeholt werden muss, ist vielen schlicht zu viel Aufwand.
„Unroyale Hochzeitsparty“ am Covent Garden
Auch Premier David Cameron hat dies erkannt und appelliert nun an den Amtsschimmel, „sich wenig einzumischen und Straßensperrungen für Feste möglich zu machen.“ Prominent vertreten in der Hauptstadt sind bisher allerdings nur die Königshaus-Muffel von „Republic“: Sie laden am Covent Garden zur „Unroyalen Hochzeitsparty“ ein.
Eine Guillotine wollen sie zwar nicht aufbauen, aber ein Dartspiel mit königlichen Papp-Zielen ist durchaus denkbar. Der Rest des Landes freut sich derweil auf einen freien Tag bei hoffentlich gutem Barbecue-Wetter. „Es ist einfach ein Tag, an dem zwei sehr reiche Leute heiraten – das stört mich nicht, aber es interessiert mich auch nicht“, meint Hauptstädterin Sarah Michael.