Verden. .

Der als "schwarzer Mann" seit Jahren gesuchte Serienmörder ist offenbar gefasst. Er soll den Schüler Dennis K. und zwei weitere Jungen getötet haben, mehrere weitere Kinder missbraucht. Nachbarn beschreiben den Pädagogen als "nett und hilfsbereit".

Der als "schwarzer Mann" seit zehn Jahren gesuchte Serienmörder ist gefasst. Ein 40-jähriger Mann aus Hamburg hat den Mord an dem neunjährigen Dennis K. aus Osterholz-Scharmbeck und zwei weiteren Jungen gestanden. Das Amtsgericht Stade erließ am Donnerstagabend Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts des dreifachen Mordes, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitag in Verden mitteilten. Er habe zudem gestanden, für weitere rund 40 Fälle von sexuellen Missbrauchs in Wohnhäusern, Zeltlagern und Schullandheimen verantwortlich zu sein. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft.

Der gebürtige Bremer und ehemalige Lehramtsstudent hat gestanden, den 13-jährigen Stefan J. aus Hamburg im März 1992 aus einem Internat in Scheeßel (Landkreis Rotenburg/Wümme) entführt und ermordet zu haben. Im Juli 1995 verschleppte er demnach den achtjährigen Dennis R. aus Lippstadt aus einem Zeltlager in Schleswig-Holstein. Die Leiche wurde zwei Wochen später in Dänemark entdeckt. In der Nacht zum 5. September 2001 entführte er den neunjährigen Dennis aus dem Schullandheim Wulsbüttel. Ein Pilzsammler fand zwei Wochen später die Leiche auf einem Waldweg. Nach diesem Mord ging die Polizei erstmals von einem Serientäter aus.

Der Leiter der Polizei Verden, Uwe Jordan, sagte auf einer Pressekonferenz, der Mann sei zwar als Sexualtäter bekannt gewesen, sei aber nicht vorbestraft. Demnach hat er nach diesen Verbrechen unerkannt zweimal wegen anderer Delikte in Hamburg vor Gericht gestanden. In beiden Fällen habe es weder Hinweise auf die Morde noch Anlass für dahingehende Ermittlungsansätze gegeben, sagte der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers.

Erstmals sei der heute 40-Jährige Martin N. 2005 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern angeklagt worden. Er soll zwei sechs- und achtjährige Jungen in seiner Wohnung auf nackter Haut am Bauch gestreichelt haben, wie Möllers sagte. Weil es sich um ein Vergehen "an der Grenze zur Straflosigkeit" gehandelt habe, sei der Fall jedoch vom Amtsgericht Hamburg-Harburg gegen eine Geldauflage von 1.800 Euro eingestellt worden.

Im zweiten Fall musste sich der Mann ebenfalls 2005 wegen versuchter Erpressung vor dem Amtsgericht Harburg verantworten. Laut Anklage hatte er von einem Mann aus Berlin 20.000 Euro gefordert, ansonsten drohte er, Kinderpornos aus dessen Besitz zu veröffentlichen. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Mann habe diese Bewährungsfrist anstandslos bestanden, damit sei der Fall erledigt gewesen, sagte Möllers. Weitere Hinweise auf andere Straftaten habe es nicht gegeben. Zuletzt war er in der Erwachsenenbildung in Hamburg tätig, wo er seit zehn Jahren lebte.

Zur Chronik der Pressekonferenz

Mit zwei weiteren Morden an Jungen in Frankreich und den Niederlanden "will er nichts zu tun haben", sagte der Leiter der Soko Dennis, Martin Erftenbeck. Die Ermittler würden dies aber weiterhin prüfen. Dazu werde ein Bewegungsbild des Mannes erstellt. Bislang waren die Kriminalbeamten davon ausgegangen, dass der Mörder von Dennis vier weitere Jungen tötete, weil alle Taten ein ähnliches Muster hatten. Der Tatverdächtige war als "schwarzer Mann" oder "Mann mit der Maske" bekannt geworden, weil er vornehmlich nachts mit schwarzer Motorradkleidung und Sturmmaske in Häuser eingedrungen war und Kinder sexuell missbraucht hatte.

Entscheidender Hinweis kam von einem Opfer

Den entscheidenden Hinweis auf den Verdächtigen lieferte ein Zeuge, der 1995 als Zehnjähriger mutmaßlich Opfer des Mannes geworden war. Der Verdächtige soll damals in das Wohnhaus der Familie in Bremen eingedrungen sein und den Jungen in seinem Kinderzimmer sexuell missbraucht haben. Nun habe sich das Opfer erinnert, dass zuvor auf einer Ferienfreizeit ein Betreuer auffällig nach seiner Wohnsituation gefragt habe. Dieser Hinweis sei der Schlüssel zur Aufklärung der Morde gewesen, sagte Jordan. Der Zeuge sei auf den Fall wieder aufmerksam geworden, nachdem im Februar die Soko einen anderen Zeugenhinweis bekannt gemacht hatte. Danach waren über 1.000 Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen. Die damalige Spur zu einem weißen Auto verdichtete sich jedoch nicht, sagte Jordan.

Die Fahnder hatten nach dem Zeugenhinweis am Mittwoch die Wohnung des Mannes in Hamburg durchsucht. Es sei belastendes Datenmaterial auf dem PC des Mannes gefunden worden, sagte Staatsanwalt Kai Thomas Breas. Zudem habe er exklusives Täterwissen päsentiert. Der Mann sei überführt.

Ermittler hatten 40-Jährigen bereits 2007 im Visier

Der Tatverdächtige sei als Sexualstraftäter bereits 2007 im Visier der Soko "Dennis" gewesen. Jedoch habe es damals keinen ausreichenden Tatverdacht gegeben. Bereits zwei Jahre vor dem Mord an Dennis soll der 40-Jährige in das Schullandheim Wulsbüttel eingedrungen und einen Jungen geweckt und in einer sexuell motivierten Pose fotografiert haben.

Der 40-Jährige ist nach Angaben von Jordan ledig. Zeugen beschrieben in als sozial unauffälligen, zurückhaltenden, netten und intelligenten Menschen, sagte der Profiler Alexander Horn. Ab 2004 konnte die Polizei dem Mann bislang keine Straftaten mehr zuordnen. Bei Sexualstraftaten gebe es aber eine hohe Dunkelziffer, deshalb werde weiter ermittelt. "Wir sind weiterhin auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen", sagte Karsten Lemke vom Zentralen Kriminaldienst. Laut Staatsanwaltschaft soll der Prozess gegen den Mann noch in diesem Jahr beginnen.

Nachbarn sind schockiert

Die Anwohner im Hamburger Stadtteil Harburg sind schockiert. Der mutmaßliche Serienmörder, der den neunjährigen Dennis aus Osterholz-Scharmbeck und mindestens zwei weitere Jungen umgebracht haben soll, lebte jahrelang mitten unter ihnen in der Wohnsiedlung. In der Nähe seiner Wohnung befinden sich mehrere Schulen. An der Straßenecke liegt eine Bushaltestelle, an der fast täglich Schulkinder ein- und aussteigen.

Die beige verklinkerte Doppelhaushälfte wirkt unscheinbar. Im Obergeschoss, in dem der 40-jährige Martin N. allein lebte, sind fast alle Rollläden heruntergelassen. Die Bewohner der Parterrewohnung wollen sich zunächst nicht dazu äußern.

Die meisten Nachbarn kannten den 40-Jährigen nicht. Er habe sehr zurückgezogen gelebt, sagt ein 51-jähriger Anwohner. Eine Nachbarin fügt hinzu, dass man sich in der Nachbarschaft zwar kenne und einander helfe. Von dem mutmaßlichen Täter sei dagegen nichts gekommen. Der 51-Jährige kritisiert besonders, dass N. bereits wegen sexueller Übergriffe polizeibekannt gewesen sei. Er hätte nach seiner Ansicht schon eher ins Vision genommen werden müssen.

Ein älteres Ehepaar beschreibt den mutmaßlichen Serienmörder als "freundlich, nett, hilfsbereit". Allerdings würden auch sie ihn nicht näher kennen. Er sei öfters ein paar Tage weg gewesen und dann wiedergekommen. (dapd)