Papenburg / Emden. Innerhalb von nur neuneinhalb Stunden bahnte sich der neu gebaute Ozeanriese seinen Weg von der Werft über die Ems bis nach Emden. An manchen Stellen war die Wasserstraße teuflisch eng.

Es war eine Überführung nach Maß: Von der Meyer-Werft über die Ems nach Emden in neuneinhalb Stunden – Rekordzeit für einen Ozeanriesen made in Papenburg. Gestern bahnte sich AIDAsol ihren Weg über die etwa 40 Kilometer lange Distanz auf der teilweise nur ein paar Dutzend Meter breiten Wasserstraße.

Erst vor knapp zwei Wochen hatte der achte Neuzugang der Aida-Flotte die Fertigungshalle verlassen, lag seitdem im Hafenbecken der Meyer-Werft. Ursprünglich sollte es heute auf die Reise gen Emden gehen – Wetterprognosen hatten die Planung aber am Dienstag über den Haufen geworfen und für eine frühere Abfahrt gesorgt.

„Am Samstag hätte die Ems zu wenig Wasser geführt“, erklärt Peter Hackmann, Pressesprecher der Meyer-Werft. 8,50 Meter Wassertiefe sollten es schon sein für das Schiff mit einem Tiefgang von 7,20 Meter. „Am Donnerstag wäre der Wasserstand auch ideal gewesen – aber da war es viel zu windig.“ Logisch: Starker Seitenwind kann für große Schiffe auf kleinen Flüssen übel enden. . .

Da soll die AIDAsol durchpassen?

Es ist 6.38 Uhr am Freitag, als sich die Dockschleuse zwischen Werfthafen und Ems öffnet. 45 Meter ist die Durchfahrt breit. Aber sie wirkt so winzig. Da soll die AIDAsol durchpassen? Mathematisch kein Problem: Gut 32 Meter ist das Schiff breit. Aber es kommt einem so vor, als würde man mit einem 40-Tonner in die heimische Garage fahren wollen. Was schief ginge – aber das hier passt tatsächlich. Mit dem Heck voraus und gezogen vom Schlepper Jade zwängt sich der Riese durch die Schleuse. Die Papenburger schlafen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Nicht, dass sie alle am Ufer stünden. Aber das mehrmals laut dröhnende Nebelhorn dürfte sie alle geweckt haben.

Der Schlepper Jade gibt weiter alles, zieht mal mehr nach links, mal mehr nach rechts, um den großen Pott immer genau in der idealen Fahrrinne zu halten. „Die Crew, die das Schiff über die Ems manövriert“, erzählt Peter Hackmann, „ist von uns. Werftkapitän Wolfgang Thos hat das Kommando. Eine Woche vor jeder Überführung beginnt die intensive Vorbereitung im Simulator. Dort und in der Realität fahren wir nur nach Instrumenten.“

Immer größer, länger und breiter

Es geht vorbei an der Friesenbrücke in Weener. Hier hat ein Schwimmkran ein 47 Meter langes Stück der Eisenbahnbrücke herausgehoben. „Etwa einhundert Tonnen wiegt das Teil“, weiß Bernhard Meyer, der Werft-Chef, der bei jeder Ems-Überführung mit an Bord ist. Und dies ist bereits die 30. seit 1986, als die Meyer-Werft begann, Kreuzfahrtschiffe zu bauen.

Dass diese heute immer größer, länger und breiter werden, treibt dem Chef keine Sorgenfalten auf die Stirn. Zwar setzt die Ems dem Schiffsbauer Grenzen. „Aber noch haben wir Luft nach oben“. 80 Meter länger und fünf Meter breiter als AIDAsol war die Disney Dream, die im November als bisher größtes in Deutschland gebautes Schiff die Ems-Passage meisterte. Mit einer Bruttoraumzahl von 128 000 hat sie die Grenzen des Machbaren noch nicht erreicht. „160 000 bis 180 000 schaffen wir“, so Peter Hackmann. „Aber dann müssen wir schon tricksen.“

Für ein paar Dutzend Umweltschützer, die auf der Jann-Berghaus-Brücke bei Leer, dem nächsten Nadelöhr der AIDAsol, protestieren, sind dafür die Grenzen des Zumutbaren schon lange erreicht: „Schluss mit der Zerstörung der Ems“ steht auf ihrem Plakat. Peter Hackmann verteidigt die Werft: „Wir suchen uns für die Passagen schon immer die Tage aus, die ökonomisch, aber vor allem auch ökologisch sinnvoll sind. Heute ist so ein Tag.“

Schiff Nummer 9 folgt im April 2012

Auch Werftkapitän Wolfgang Thos schwärmt von den Bedingungen. „Es stimmt einfach alles. Wasserstand, Wind. So einfach ging’s noch nie.“ Um kurz nach 15 Uhr durchfährt AIDAsol als letztes Hindernis das Ems-Sperrwerk bei Gandersum. Eine gute Stunde später liegt das Schiff fest am Emskai von Emden. Von hier aus starten in den nächsten Tagen etliche Probefahrten, bevor der Neuzugang am 31. März an Aida-Cruises übergeben wird.

Und in der Meyer-Werft – da liegt schon ein Teil von Aida-Schiff Nummer 9: Im April 2012 wird AIDAmar ihrer Vorgängerin folgen.